Blog Blindgaengerin

Everything will be fine

Der Film ist der von Wim Wenders verfilmte Alptraum einer Mutter und eines Autofahrers in Schneeweiß und 3D!

Am Ufer eines gefrorenen Sees irgendwo im tief verschneiten Kanada beobachtet der Schriftsteller Thomas am Ufer einige Männer beim Eisangeln. Über einen langen Steg gesellt er sich zu der Gruppe und wechselt mit Einigen, die er zu kennen scheint, kumpelhaft ein paar Worte über das Anbeißen der Fische. Zum Abschied bietet ihm einer der Angler eine Zigarette an, die er auf dem Weg zu seinem Auto mangels eines Feuerzeuges nicht anzündet, sondern einfach hinter seinem Ohr parkt.
Gerade als er losfahren will, ereilt ihn ein Anruf seiner Freundin Sara. Sie erkundigt sich nach dem Stand der Dinge und den Fortschritten seiner schriftstellerischen Arbeit und wann sie zu Hause mit ihm rechnen könne.
Genervt erwidert er, daß er ihr etwas sagen müsse, aber nicht jetzt, und legt auf.
Während der Fahrt ist er mit dem Anzünden der Zigarette und dem Ignorieren zahlreicher Anrufversuche seiner Freundin beschäftigt.
Als er wegen einer Umleitung auf eine noch unwegsamere und abgelegenere Straße ausweichen muß und wieder einmal sein Handy klingelt, kreuzt wie aus dem Nichts und blitzschnell ein Rodelschlitten seinen Weg. Er bremst und das zu vernehmende Geräusch verheißt nichts Gutes.
Nach einigen Schrecksekunden, in denen er Stoßgebete von sich gibt, steigt er aus und stellt erleichtert fest, daß der kleine Junge unversehrt auf seinem Schlitten vor der Kühlerhaube sitzt.
„Alles wird wieder gut“ murmelnd trägt er den fünfjährigen Christopher zu dem weit und breit einzigen, auf einer Anhöhe gelegenen kleinen Farmhäuschen, in dem Kate in ein Buch versunken am Kamin sitzt.
Als Thomas ihr erklären will, daß eigentlich alles in Ordnung ist, fragt sie sofort und mehrmals: „Wo ist Nikolas?“ Sie stürzt hinaus zu dem parkenden Wagen und es ist nur noch ihr entsetzter Aufschrei zu hören.

Noch mit diesem unter die Haut gehenden Schrei im Ohr erfahren wir nun, wie das Leben von Kate (Charlotte Gainsbourg), Thomas (James Franco) und dem heranwachsenden Christopher nach dem Unglück weitergeht, weil es ja irgendwie weitergehen muß. Zwölf Jahre ziehen vorbei.

Die alleinerziehende Kate sieht man beim Schneeschippen, Brennholzsammeln, Laubfegen und sehr sehr oft beim Weinen. Die vielen schlaflosen Nächte verbringt sie mit Zeichnen, Lesen und Schreiben.

Das Drehbuch bestimmt allerdings den schweigsamen und introvertierten Thomas als Hauptfigur, wie er mit sich um Schuld, Sühne und Vergebung hadert.
Nach einem halbherzig durchgeführten Selbstmordversuch und begleitet von nicht unerheblichem Alkohol- und Drogenkonsum überwindet er seine schriftstellerische Schaffenskrise. Er verarbeitet das Drama in seinen Büchern und ihm gelingen dadurch einige Bestseller.
Über seinen Verleger lernt er eine neue Liebe, ich glaube Annie, kennen und führt mit ihr und ihrer Tochter ein fast normales Familienleben.

Als er nach fünf Jahren erstmals bei Kate auftaucht, begrüßt er sie mit sinngemäß folgenden Worten: „Ich gäbe alles, wenn ich das ungeschehen machen könnte!“
Ein Kind und dann auch noch im Kindesalter zu verlieren, ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann. Ich habe keine Kinder und möchte mir erst gar nicht vorstellen, was ich in diesem Fall dem Schriftsteller geantwortet hätte.

Kate, deren Worte in dem Film abgezählt zu sein scheinen, erwidert übrigens: „Sind Sie gekommen, um uns das zu sagen?“
Aber eigentlich war sie gerade dabei, ein Buch des US-amerikanischen Schriftstellers William Faulkner aus dem letzten Jahrhundert zu zerreißen und anschließend zu verbrennen. Sie konnte sich an dem Unglücksabend nicht von diesem Buch lösen, um die Jungs, die schon längst hätten im Haus sein sollen, hereinzurufen. In ihrer Verzweiflung gibt sie abwechselnd sich und dem Buch die Schuld.

Dieses Erwägen einer – wenn auch nur kleinen – Mitschuld habe ich bei Thomas vermißt.
Die ausgedehnte Autofahrtszene vor dem Unglück zeigte wild wischende Scheibenwischer, also schlechte Sicht für den Fahrer. Sie zeigte das Herumhantieren mit der Zigarette und die ständig abgelenkten Blicke auf das Handy. Wäre die Tragödie nicht doch zu vermeiden gewesen? Thomas empfindet natürlich großes Bedauern, zeigt aber zumindest kein Schuldgefühl.

Christopher nimmt als 15-jähriger erstmals Kontakt zu Thomas auf und konfrontiert diesen mit der Frage, ob es richtig sei, auf Kosten des Familienschicksals Bestsellerbücher zu schreiben, während seiner Mutter seitdem ihre Tätigkeit für einen Verlag nicht mehr so leicht von der Hand ging.

Während der langen Pausen in den Dialogen ist es dank der 3D-Technik möglich und auch beabsichtigt, in den Gesichtern die Gefühlsregungen zu lesen.
Der Hörfilmbeschreibung, die ich dank Greta einmal wieder ins Kino mitnehmen konnte, ist der Balanceakt gelungen, diese Gefühle in Worte zu fassen und Momente der gewollten Stille zuzulassen. Auf Beschreibung der Kleidung und anderer Äußerlichkeiten wurde weitgehend verzichtet.

Die grandiose Filmmusik hat bei mir einige Male eine Anspannung fast zum Zerreißen erzeugt, als ob für Thomas noch ein weiterer Schicksalsschlag vorgesehen wäre.

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