Blog Blindgaengerin

Steve Jobs

Nur noch fünf Minuten Zeit, bis es heißt „Vorhang auf“ und Steve Jobs sich mit der neuen Errungenschaft von Apple, dem Macintosh, von dem ungeduldig wartenden Publikum feiern läßt. Wir schreiben das Jahr 1984.
Steve zerrinnt die Zeit zwischen den Fingern, um das Objekt der Neugierde exakt nach seinen Vorstellungen zu präsentieren.
Der Apple-Mitbegründer vermag zwar viel zu bewirken, aber die Zeit anhalten kann auch er nicht.
Die Zeit macht nämlich „nur vor dem Teufel halt, denn er wird niemals alt, die Hölle wird nicht kalt und heute ist schon beinah‘ morgen.“
Das gab der Sänger Barry Ryan 1971 in der ZDF-Hitparade zu bedenken.
Ganz anders erging es Madonna vor ungefähr 10 Jahren in ihrem Hit „Time goes by so slowly“. Sie zählt die quälend langsam verstreichenden Minuten bis zum ersehnten Telefonklingeln.

Dieses rein subjektiv empfundene relativ schnelle oder langsame Vergehen der Zeit hat natürlich nichts mit der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein zu tun.
Fast auf den Tag genau vor 100 Jahren trug Einstein seine Theorie am 25. November 1915 bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften vor.
Auch Einstein stellte fest, daß die Zeit nicht gleichmäßig voranschreitet. Diese Variable läßt sich allerdings objektiv exakt berechnen. In einem anderen Sonnensystem, das sich relativ zu uns schneller bewegt, würde eine 5-Minuten-Terrine sechs Minuten brauchen, jedenfalls von hier aus betrachtet. Dafür wäre aber der Becher geschrumpft.
Es soll Ableitungen seiner Theorie geben, nach denen man die Zeit so krümmen kann, daß die Zeit wieder in sich selbst zurückläuft, so eine Art Zeitschleife, habe ich gelesen. Und absolut nichts verstanden.
Anzubieten hätte ich noch die Beschreibung der gekrümmten Raumzeit…

Steve Jobs jedenfalls möchte um jeden Preis und auf den letzten Drücker erreichen, daß der Macintosh auf der Bühne seine Bestauner mit einem gesprochenen „Hello“ begrüßt.
Was für die Sängerin Adele in ihrem aktuellen Hit „Hello“ ein Leichtes ist, will dem Mac einfach nicht über seine designte Benutzeroberfläche kommen.
Um ihn zum Sprechen zu bringen, müßte er mit Spezialwerkzeug behandelt werden, welches dummerweise gerade außer Reichweite ist.
Es war Steves erklärtes Ziel, den Usern das Herumschrauben an Apple-Produkten unmöglich zu machen, und das gilt bis heute. Damit hat er sich gegen seinen Mitstreiter der ersten Stunde, Steve Wozniak, durchgesetzt.

Dieser fünfminütige Wettlauf mit der Zeit dauert im Film sehr kurzweilige 40 Minuten, die sich, von einigen Rückblenden abgesehen, in der Kulisse hinter der Bühne abspielen.
Jobs befindet sich in einem Dauerredefluß und die anderen Protagonisten umkreisen ihn dabei wie Motten das Licht.
Der Schauspieler Michael Fassbender, der mit dem Apple-Manager zu verschmelzen scheint, hat ohne Zweifel den Löwenanteil des Textes zu bewältigen.

Weil 40 Filmminuten zu kurz sind, gibt es noch für zwei weitere Produkte zwei weitere Vorhänge.
Vier Jahre nach dem Macintosh bringt Steve den NeXT auf die Bühne. Als Dritter im Bunde feiert zehn Jahre danach, 1998, der iMac seine Geburtsstunde und Steve, der dem knallgrünen Apfel zwischendurch den Rücken zugekehrt hatte, zugleich seine Rückkehr in den Konzern.
Auch vor diesen beiden glamourös inszenierten Auftritten von Mensch und Produkt spielt sich der Minuten-Countdown wieder weitgehend hinter der Bühne ab und dauert jeweils 40 Filmminuten.
Macht zusammen gute zwei Stunden.

Für abwechslungsreiche Dialoge sorgen neben dem leicht durchgeknallten Jobs unter vielen anderen seine Ex-Freundin Chrisann, die Heulsuse, mit der gemeinsamen klugen Tochter Lisa.
Aber was wäre Steve ohne seine rechte und, wie ich finde, auch linke Hand Joanna Hoffman. Kate Winslet ist immer scharfzüngig zur richtigen Zeit zur Stelle, um den Herrn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
Das Bild, das die Filmfigur bei mir hinterläßt, ist sehr zwiespältig. Dem Drehbuch lag eine autorisierte Biographie zugrunde und vieles im Film stimmt mit Wikipedia überein.
So hat er Steve Wozniak, mit dem er 1976 die Firma Apple als Garagenfirma gründete, mehrmals gegen die Wand laufen lassen.
Garagen und Teller haben eine erstaunliche Gemeinsamkeit:
Beide können Millionäre hervorbringen. Steve Jobs‘ Vermögen wurde nach seinem frühen Tod 2011 auf 8 Milliarden Dollar geschätzt.

Bemerkenswert fand ich eine Szene bei der Präsentation des iMac, als sich der große Steve Jobs kurz vor seinem grandiosen Auftritt die Füße in der Toilette wäscht. Was will uns das sagen, oder soll uns das überhaupt etwas sagen? Vielleicht zeigt sich hier schon die Idee von der Multifunktionalität der Dinge.
Ohne Steve, die App Greta und selbstverständlich die Hörfilmbeschreibung wäre mir nicht nur dieses außergewöhnliche Detail verborgen geblieben.
Die sympathische Sprecherin hat in den nicht relativ, sondern absolut kurzen Dialogpausen sofort das Wort ergriffen und knapp aber präzise souffliert.
Am Ende des letzten Aktes zum Beispiel beschreibt sie, daß die inzwischen 19-jährige Tochter Lisa einen Walkman an ihrem Gürtel trägt. Dieses häßliche Teil läßt ihren Vater vor Ekel erschaudern.
Das Vater-/ Tochterverhältnis ist nicht ganz unvorbelastet. Um ihren Vater zu ärgern, vergleicht sie dessen ganzen Stolz, den iMac, mit einem bunten Kinderbackofen.
Damit liegt sie gar nicht so daneben!
Aber kurz bevor der letzte Vorhang fällt, verspricht Steve seiner Tochter versöhnlich, ihr eine Unmenge Musik in die Jackentasche zu zaubern.
Dieses Versprechen löst er drei Jahre später mit dem iPod ein.
Mich hat er, natürlich ohne daß er das explizit wollte oder wußte, mit dem iPhone einige Jahre später beglückt.

Steve Jobs war bekennender Beatles- und Bob Dylan-Fan und einige Jahre mit der Folksängerin Joan Baez liiert.
Dem gebührend fällt der letzte Vorhang zu Ehren einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Computerindustrie zu den Klängen eines Dylan-Songs.

Im Vorprogramm lief übrigens ein Trailer von Aktion Mensch, auf den ich unbedingt per Link aufmerksam machen möchte:

https://www.youtube.com/watch?v=gZFHK3OwzFM

Eine Art der Begegnung, wie sie Schule machen sollte, und die Reaktion des Publikums ist dafür der beste Beweis!

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