Highway to Hellas
Schlemihl: Hey, duu! Ernie: Hey, ich? Schlemihl: Willst du mir ein A und ein S abkaufen? Ernie: Warum sollte ich das tun? Schlemihl: Weil genau diese beiden Buchstaben dem Wörtchen HELL fehlen! Ernie: Ach so, du meinst, damit aus dem AC/DC-Song „Highway to Hell“ der Filmtitel „HIGHWAY TO HELLAS“ wird? Schlemihl: Genaau! Ernie: Ich habe aber kein Geld! Schlemihl: Pssst! Diesen kleinen Umweg über die Sesamstraße mit Ernie und Schlemihl zum HIGHWAY hat es natürlich nie gegeben. Wie auch immer, der Highway im Film führt nicht geradewegs in die Hölle, sondern nach Hellas, also Griechenland. Konkret geht es um die sehr, sehr kleine griechische Insel Paladiki, die ähnlich wie Ernie mit umso größeren finanziellen Problemen zu kämpfen hat. An einem wunderschönen Sommertag erreicht der Bankangestellte Jörg Geissner mangels eines Flughafens über den Highway zu Wasser die idyllische Insel. Dort bringt er das recht geruhsame Leben der wenigen Inselbewohner mächtig durcheinander. Er tut das im Auftrag der Münchner AVO-Bank, die der verarmten Insel vor einigen Jahren einen Kredit gewährt hatte. Offiziell soll sich Geissner von der Existenz der angegebenen Sicherheiten, einem Elektrizitätswerk und einem Krankenhaus, überzeugen. Das eigentliche Objekt der Begierde des Bankhauses ist jedoch der „tranmartige Stand“. Diese Version eines traumhaften Strandes ist ein liebenswertes Überbleibsel einer unserer Urlaube auf der ebenfalls griechischen Insel Samos und stammt aus einem sehr wortschöpferisch ins Deutsche übersetzten Prospekt über eine Taverne. Der tranmartige Stand war dann auch noch „umhüllt von fichtegefüllte Berge“. Die Insulaner versuchen nun sehr trickreich, ihr ruhiges Idyll vor aus dem Boden schießenden Hotelanlagen zu bewahren, zumal man sich bereits mit einem sogar geöffneten Hotel brüsten kann. Auch von ihrem sonnigen, eher bescheidenen Müßiggang wollen sie sich nicht verabschieden müssen. Dazu gehören beispielsweise einsame Spaziergänge an ihrem noch naturbelassenen Bilderbuchstrand. Das gesellschaftliche Leben spielt sich in der einzigen Taverne des Dorfes ab. Eingekauft wird im einzigen Minisupermärktchen, vorausgesetzt, der Chef läßt es sich nicht gerade in der Taverne gut gehen. Was es auf Paladiki mehr als genug gibt, sind überall frei herumlaufende Ziegen, die so ziemlich alles in sich hineinstopfen. Gerne darf es zwischendurch einmal eine Steuererklärung sein, wahrscheinlich eine zugunsten der Staatskasse. Obwohl sie gelegentlich auch selbst verzehrt werden, sind die Ziegen aber auf keinen Fall vom Aussterben bedroht. Das kann man von den Wasserschildkröten nicht behaupten und die Freude ist umso größer, als am Strand ein Schildkrötenbaby entdeckt und liebevoll in sein Element Wasser befördert wird. Anstatt mit einem Mietwagen über die Highways zu brettern, zuckelt man zu Esel durch die Berge, ob fichtegefüllt oder nicht. Diese etwas störrische Art der Fortbewegung ohne Klimaanlage und die ständige Netzsuche macht dem Banker ganz schön zu schaffen. Der geiernden Chefin in München gelingt es dennoch, den armen Kerl im Fünfminutentakt zu nerven und unter Druck zu setzen. So allmählich empfindet man mit dem von allen Seiten getriezten Eselsreiter von der traurigen Gestalt mit nur fünf Kontakten in seinem Smartphone nur noch Mitleid. Wie wäre es spätestens jetzt mit einem Gläschen, natürlich vom griechischen Wein? Oder dürfen es auch zwei oder drei sein? Nicht zum ersten Mal trägt Alkohol wie hier maßgeblich zur verzerrten Wahrnehmung der Realität und später zur großen Verbrüderung bei. Jamas! Authentisch griechisch wird nicht nur getrunken und gegessen, sondern von den griechischen Darstellern auch sehr häufig gesprochen, schon fast wie bei einer OMU-Filmfassung. Die Sprecherin der Audiodeskription mußte also auch noch den Job einer Synchronsprecherin übernehmen und zwar für alle Griechen, Männer wie Frauen und einen kleinen Jungen. Das hat sie mit ihrer jungen frischen Stimme auch bei noch so hitzköpfig geführten Debatten mit Bravour gemeistert. Witzig aber waren nicht nur die Dialoge. Auch unzählige Filmszenen trugen im Kinosaal zur allgemeinen Erheiterung bei, inklusive meiner. Mit der Beschreibung dieser Bilder und dem Vorlesen der Untertitel war die Sprecherin fast im Dauereinsatz. Wenn ich den Film nicht in der Liste der App Greta entdeckt hätte, wäre das Filmvergnügen wahrscheinlich an mir vorbeigegangen. Es war auch gar nicht einfach, ein Kino zu finden, das für mich noch so halbwegs gut zu erreichen war. Zum Glück konnte ich Greta und damit die Hörfilmbeschreibung über die steile Treppe zu dem gemütlichsten, schon fast wohnzimmerähnlichen Saal des Thalia-Kinos in Berlin-Lankwitz einfach mitnehmen. Auch im Thalia hatte ich bei diesem ersten Besuch sehr netten Begleitschutz zu meinem Platz inklusive Getränke- und später einem Abholservice. Um noch einmal auf die Buchstaben A und S zurückzukommen: Wie dicht der HIGHWAY TO HELLAS und der Highway to Hell beieinanderliegen können, bekommt Christoph Maria Herbst als Jörg Geissner gleich zweimal am eigenen Leib zu spüren. Aber beide Male kommt er fast nur mit dem Schrecken davon, alles andere wäre auch sehr schade gewesen, und zwar um beide, den Darsteller und seine Filmfigur. Und was den Darsteller betrifft: Auch um seine schöne Stimme! Der Highway zu Ernie und Schlemihl in der Sesamstraße ist übrigens unter dem folgenden Link zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=Y60LlHchdEI