Blog Blindgaengerin

Devid Striesow

Vor einer weißen Hausfassade hängt eine Strickleiter. Zwischen den Sprossen sitzen schwarze Notenzeichen wie auf Notenlinien. Die Blindgängerin steht daneben und versucht, ihr rechtes Bein möglichst weit und hoch zu strecken.

Licht

Was für ein Spagat par excellence, von einer Strickleiter hin zu den Tonleitern! Vor einem Jahr wollte Maria Dragus über eine aus Stricken geknüpfte Leiter in eine Galerie einbrechen. In „Tigergirl“ machte sie als Vanilla die Straßen Berlins unsicher. Ich kann mir gut vorstellen, daß sie in den wilden Kampfszenen ihr akrobatisches und tänzerisches Können auch mit dem einen oder anderen Spagat unter Beweis gestellt hat. Hier geht es allerdings um den Spagat im übertragenen Sinn! Ich hatte noch genau das „Bäm!“ im Ohr, ihren nichts Gutes verheißenden Schlachtruf. Aber sobald Maria Dragus in “Licht“ zu sprechen begann, war sie für mich nur noch die von ihr hier verkörperte 18-jährige Wiener Pianistin Maria Theresia Paradis. Die Worte kommen ihr als Resi, wie sie kurz genannt wird, eher zurückhaltend und mit einem ungemein liebenswerten dezent österreichischen Akzent über die Lippen. Davon gibt es hier die erste der vom Farbfilm Verleih zur Verfügung gestellten Kostproben. Aber Vorsicht, der Ausschnitt ist reines Ohrenkino, ohne Bild! Der Originalton des Filmes und die Sprecherin der Audiodeskription sind zu hören. Letztere bekam ich im Kinosaal per Kopfhörer über die App Greta und Starks im mein Ohr. Ich hatte von der im Jahr 1759 in Wien geborenen Pianistin, Komponistin, Sängerin und Musikpädagogin noch nie gehört. Im Wiener Musikleben dagegen war Resi Paradis sehr prominent und mit Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart bekannt. „Am Anfang war die Nacht Musik“, ein Roman von Alissa Walser über das außergewöhnliche Leben der Maria Theresia Paradis! Zu beachten ist beim Buchtitel die Trennung von „Nachtmusik“ in zwei Worte. Es ist überliefert, daß die Pianistin mit drei Jahren „über Nacht“ aus nie ganz geklärten Gründen erblindete. Sie hatte zwar das Glück, schon als junges Mädchen musikalisch gefördert zu werden, mußte aber hauptsächlich nach dem Willen ihres Vaters, eines kaiserlich-königlichen Hofbeamten, einige qualvolle wie erfolglose medizinische Behandlungen über sich ergehen lassen. Als letzten Ausweg übergaben die Eltern ihre inzwischen 18-jährige Tochter in die Obhut des wegen seiner neuartigen Methoden umstrittenen Arztes Franz Anton Mesmer. Mit „Am Anfang war die Nacht Musik“ hat alles angefangen. Der historische Stoff dieses Romans mit Figuren, die es wirklich gegeben hat, inspirierte die Regisseurin Barbara Albert zu ihrem Film „Licht“, in dem sie sich auf Resis Aufenthalt in Mesmers Haus beschränkt. In ihrem Roman schreibt Alissa Walser abwechselnd aus der Perspektive des Mediziners Mesmer und der Patientin Paradis. Für Barbara Albert war die Figur der Resi die Spannendere, die sie gleich in ihr Herz schloß, und auf die sie sich deshalb in ihrem Film konzentriert. Ich tue das in meinen weiteren Ausführungen jetzt auch, obwohl das Franz Anton Mesmer (Devid Striesow) nicht ganz gerecht wird. Nach einigen Behandlungen, bei denen sich der Arzt eines magnetischen Fluidums bedient, vermag Resi zunächst wieder Licht und allmählich auch ihre Umgebung wahrzunehmen. Aber genauso schön ist es zu beobachten, wie sie – zum ersten Mal von ihren Eltern getrennt – aufblüht und Selbstvertrauen gewinnt. Auch das ist Mesmers Verdienst. Gleich in der ersten Sitzung öffnet sie sich ihm mit den beklemmenden Worten: „Wer nichts sieht, wird nicht gesehen, und wer nicht gesehen wird, wird auch nicht gehört, der lebt nicht.“ Und das bildet sie sich leider nicht nur ein. Beim Vorstellungsgespräch in Mesmers Haus ergreifen ausschließlich ihre Eltern für sie das Wort! Dazu Hörschnipsel 2: Aber am Klavier fühle sie sich wie ein General. Und das bekommt Mesmer bei dem Duett, der für mich schönsten musikalischen Einlage, auch zu spüren! Dazu der wunderschöne Hörschnipsel 3, bei dem mir die insgesamt sehr gut gemachte Audiodeskription besonders gefällt. Als ob die Sprecherin mit ihrer schönen Stimme die Musizierenden begleitet, ohne sie dabei zu stören! Ich denke, dieser Moment zählt zu Resis glücklichsten. Sie fühlt sich wohl im Hause Mesmer und die ersten zarten Erfolge der Behandlung stellen sich gerade ein. Noch wirkt sich die Verbesserung ihrer Sehkraft nicht negativ auf ihr virtuoses Klavierspiel aus. Resis Augen! Den typischen blinden Blick kann es schon alleine wegen der vielfältigen Ursachen für eine Erblindung mit den unterschiedlichsten Auswirkungen nicht geben. Resis Augen werden natürlich immer wieder beschrieben und das hört sich so an: Ihre geröteten Augen wandern ziellos umher, ohne etwas zu fixieren. Sie wirken trüb und glasig. Ihr Blick bewegt sich nicht. Ihre Augenlieder flattern. Unbeholfen folgen ihre Augäpfel ihrer Hand dicht vor ihren Augen. Das Bild ist erst verschwommen, dann wird es klar. Ihre Augen fokussieren einen Gegenstand. Unruhig rollen ihre Pupillen hin und her. Im Profil schimmert ihr Augapfel weiß. Ich habe zwar auch einem blinden Menschen noch nie direkt in die Augen geschaut, aber das klingt für mich sehr plausibel, gut gelöst und vor allem nicht übertrieben. Spannender für mich und überzeugend dargestellt fand ich, wie sie sich anfangs vorsichtig tastend bewegt und später Schrittchen für Schrittchen auch alleine ihre Umgebung erforscht. Sie erfährt, daß Dinge, die sie sieht, weiter entfernt sind, als sie vermutet, und gerät über einen Misthaufen auf einer Wiese in Entzückung! Maria Dragus ließ sich übrigens von der Fachfrau Silja Korn beraten! Zwei Seelen in meiner Brust! Wenn zugegebenermaßen auch ein bißchen neidisch, ich habe mich mit Resi über jede noch so kleine Besserung ihres wiedergewonnenen Augenlichts gefreut. Vereinzelte Äußerungen von Blinden, die keinen Wert darauf legen, sehen oder wieder sehen zu können, kann ich nicht nachvollziehen. Und auch bei Resi hörte ich einige Male Sehsüchte heraus. Das heißt natürlich nicht, daß Resi und ich mit unserem Schicksal hadern und jammern. Weil das Klavierspielen ihr Leben ist, ist Resis Verzweiflung entsprechend groß, als sie feststellt, ihre Hände beim Spielen nicht mehr wie gewohnt unter Kontrolle zu haben. Ich war hin und hergerissen, ob ich dieses Leid genauso wie ihre Freud mit ihr teilen kann oder soll. Denn dies hätte auch eine nur vorübergehende Phase der Irritierung sein können. Schließlich ist ihr musikalisches Talent nicht auf ihre Blindheit zurückzuführen. Dieses wäre nur ohne ihre Erblindung als kleines Mädchen und der damit einhergehenden frühen musikalischen Förderung nicht zu Tage getreten. Aber Resi braucht mein Mitleid überhaupt nicht! Selbstbewußt verläßt sie nach geschätzt zwei, drei Monaten Mesmers Haus und kennt jetzt

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Die weißen Regale eines Geschäftes sind vollgestopft mit Flaschen, Gläsern, Messern und anderem, vieles davon in den Schweizer Nationalfarben, weißes Kreuz auf rotem Grund. Vor den Regalen steht die Blindgängerin und rührt mit einem langen Holzlöffel in einem Käsefondue-Topf. Auch der Topf ist rot mit weißem Kreuz. Auf der Schulter der Blindgängerin sitzt ein Stoffmurmeltier mit rotem Hut und Mantel.

Nichts passiert

Und wer hat’s erfunden? Nur ein Schweizer, und zwar der Drehbuchautor und Regisseur Micha Lewinsky. Es passierte aus heiterem Himmel. Als er vor sechs Jahren mit dem Fahrrad durch die Straßen Berlins radelte, ereilte ihn von einem Augenblick zum anderen die Idee für die komplette Filmgeschichte. Abgesehen von einigen Notizen passierte wegen der Ereignisdichte in seinem Leben während der darauffolgenden Jahre mit dem Filmstoff jedoch erst einmal nichts. Aber jetzt endlich geht es für die dreiköpfige Familie Engel aus Deutschland bei strahlendem Sonnenschein und idealen Schneeverhältnissen zum Skiurlaub ins Prättigau in die Schweizer Alpen. So wie man den Seefahrern immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel wünscht, gibt man den Wintersportlern ein „Ski Heil“ mit auf den Weg. Schweren Herzens habe ich vor einigen Jahren meine uralten Skistiefel entsorgt. Nicht, daß ich mir das Skilaufen nicht mehr zutraue, aber die Pisten sind nicht größer, aber dafür umso voller geworden. Das Risiko, von einer sogenannten Pistensau über den Haufen gefahren zu werden, ist mir einfach zu hoch. Diesbezüglich braucht man sich bei der Hauptfigur des Films keine Sorgen zu machen. Ob nun gerade nichts oder viel passiert, zum Skilaufen kommt Thomas Engel sowieso kaum. Der Grund dafür heißt Sarah, ist 15 Jahre alt und die Tochter seines Chefs. Der Kameramann muß übrigens ein exzellenter Skiläufer sein, der beim Filmen vor den Schauspielern auf Brettern rückwärts abi fuhr. Eine erste Ahnung, daß der Urlaub unter keinem guten Stern steht, bekommt man schon während der Autofahrt auf dem Weg in das weiße Paradies. Thomas sitzt fröhlich am Steuer, in freudiger Erwartung auf schöne Tage im Schnee. Weder die ständigen Vorhaltungen seiner entnervten Frau Martina noch das Genörgel der gemeinsamen Tochter Jenny vom Rücksitz können ihm etwas anhaben. Einig sind sich Mutter und Tochter in ihrem Unmut darüber, daß Thomas sich von seinem Chef hat breitschlagen lassen, dessen Tochter in die Ferien mitzunehmen. Schon kurz nachdem Sarah in das Auto zugestiegen ist, fallen zwischen den beiden Mädels die ersten Spitzen. Auch die wohl hübschere und auf jeden Fall verwöhnte Tochter des Chefs ist nicht gerade begeistert, bei den Engels für eine Woche geparkt worden zu sein. Aber das Gezeter aller drei Damen prallt an Thomas‘ Frohsinn einfach ab. Kaum haben sich die vier in dem angemieteten Châlet eingerichtet, werden sich die Eheleute nicht einig, ob die Mädchen zu einer Feier der heimischen Jugend unten im Dorf gehen dürfen. Trotz der Einwände seiner Frau macht Thomas den Chauffeur. Im Nachhinein würde er das bestimmt kein zweites Mal tun. Was sich auf der Party genau abspielt und was Sarah auf der Rückbank des geparkten Autos widerfährt, in das sie zunächst freiwillig eingestiegen war, kommt nur sehr scheibchenweise zutage. Ganz aufgeklärt wird erst am Schluß. Fast alle europäischen Staaten außer Italien, Polen und Ungarn haben inzwischen auf Empfehlung der WHO die „Pille danach“ aus dem Katalog der rezeptpflichtigen Medikamente gestrichen. In Deutschland ist dieses Präparat erst seit März 2015 rezeptfrei und darf an Jugendliche ab 14 Jahren auch ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten abgegeben werden. Die Schweiz schaffte die Rezeptpflicht schon im Jahr 2002 ab. Allerdings müssen die Apotheker mit der mindestens 15-jährigen Betroffenen ein Aufklärungsgespräch führen, das in einem Formular festzuhalten ist. Thomas gibt dem Flehen der völlig aufgelösten Sarah nach, ihrem Vater nichts zu sagen und ihr zu der Pille danach zu verhelfen. Mit seiner Unterschrift auf dem Formular in der Dorfapotheke schafft er eine Tatsache. Jetzt gibt es für ihn kein Zurück mehr. Er tut so, als sei nichts passiert, und erwartet das auch von Sarah. Aber die seelischen Folgen lassen sich mit der Pille nicht mal eben so einfach mit herunterschlucken. Also nimmt das Drama seinen langsamen, aber gewaltigen und auch gewalttätigen Lauf. Der Darsteller des Thomas, Devid Striesow, ging in einem Interview mit seiner Filmfigur sehr hart zu Gericht. Er verurteilte scharf, wie Thomas jedes Mittel recht ist, um aus seinem anfänglichen Fehlverhalten unbeschadet herauszukommen. Jeder, der sich auf den Film einläßt, kann nun für sich entscheiden, wie er sich verhalten hätte. Das hat der Drehbuchautor gut hinbekommen. Keine Sekunde hätte ich in Thomas‘ Haut stecken mögen. Dann kriselt es auch noch in der Ehe. Um die Wogen zu glätten, schlägt er einen gemütlichen Fondue-Abend am Kamin vor. Eine Hörfilmbeschreibung gab es für den ausschließlich mit Schweizer Fördermitteln produzierten Film leider nicht. Zwar taten die Darsteller ihr Bestes, um mich darüber hinweg zu retten, und haben allein durch ihre Dialoge reichlich Bilder in meinem Kopf produziert. Viele Details werden mir aber verborgen geblieben sein. Besonders beeindruckend ist Devid Striesows Wandel von einem fröhlichen, harmlosen und übertrieben harmoniebedürftigen Familienmenschen zu jemandem, der auch vor Gewalt nicht zurückschreckt, um die Kontrolle zurückzugewinnen. Auch die 15 und 17 Jahre jungen Lotte Becker als Jenny und Annina Walt als Sarah haben ihre Figuren schon fast erschreckend glaubhaft gespielt. Ich werde jetzt genau das tun, was Thomas nicht vergönnt ist: Einen gemütlichen Abend am Kamin mit Original Schweizer Käsefondue verbringen! Die dazu nötigen Zutaten gibt’s im „Chuchichäschtli“. Das heißt Küchenschrank und ist ein kleines Fleckchen Schweiz mitten in Berlin-Wilmersdorf. Dort wird man allerliebst von Schwiizern beim Kauf von Schwiizer Leckerlis und diverser Küchenutensilien beraten!

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Vor einem offenen Burgtor mit Zugbrücke steht die Blindgängerin. Sie trägt einen ausgefransten Strohhut, eine lange dicke Winterjacke, Jeans und Stiefel. Auf ihren Rucksack ist eine zusammengerollte Wolldecke geschnallt. Die Blindgängerin hat eine Zigarette im Mund und hält neben ihrem weißen Langstock einen Wanderstock und eine weiße Muschel in der Hand.

Ich bin dann mal weg

So also sprach der vor allem als Komiker bekannte Hape Kerkeling. Er löste sich vor 15 Jahren von seiner Couch, nahm Abschied von seiner Katze Beatrice und machte sich auf den Weg zu einer garantiert käsekuchenfreien Zone, dem Jakobsweg. Hätte er nicht in seinem Buch über die Strapazen und Freuden des Pilgerns und seine für ihn teilweise einschneidenden Begegnungen berichtet, wäre wahrscheinlich nicht nur mir der Jakobsweg im Verborgenen geblieben. Und, ohne Buch natürlich kein Film! Die Jakobsmuschel, das Symbol des Jakobsweges, habe ich aber lange bevor mir Hape aus seinem Buch vorlas, kennen und genießen gelernt. Sie ist die größte eßbare Muschel und verweist ihre kleineren Konkurrentinnen, was den Geschmack angeht, auf die hinteren Plätze. Man kann sie gratinieren mit der Gefahr, ihren feinen Geschmack mit dem Käse zu erschlagen, zu Ragout verhackstücken oder brutal auf Spieße pieken. Ich bevorzuge sie mit einem Hauch Knoblauch und kleingehackter Petersilie, liebevoll in Butter geschwenkt und dann auf einem knackigen Salat drapiert. Der Namensgeber für die Muschel und den Weg war nicht einfach irgendein Jakob, sondern kein Geringerer als der Heilige Jakobus, ein Weggefährte und Jünger Jesu Christi. Seine Existenz als Apostel Jakobus ist im neuen wie im brandneuen Testament unstreitig belegt. Wie Muschel und Weg zu ihrem bedeutungsschwangeren Namen kamen, hat mehr mit Glauben und weniger mit Tatsachen zu tun. Ein junger Adliger soll einst dem Schiff entgegen geritten sein, in dem der Leichnam des gewaltsam ums Leben gekommenen Jakobus nach Spanien überführt wurde. Als der Reiter dabei zu ertrinken drohte, wurde er auf wundersame Weise vom toten Jacobus und der im Atlantik heimischen Muschel Pecten maximus gerettet. Seitdem nennt man diese Meeresfrucht Große Pilgermuschel bzw. Jakobsmuschel. Ihre Schale ist das Schutz- und Erkennungszeichen der Jakobspilger, die diese bis heute an Hutschnüren und Rucksäcken befestigen. Erst ungefähr 900 Jahre nach diesem wunderlichen Ereignis soll der heilige Jakobus in einer Grabstätte in Santiago de Compostela seine letzte Ruhestätte gefunden haben. Zwischen seinem Tod und der endgültigen Beisetzung liegt erstaunlicherweise fast ein Jahrtausend. Man könnte daran zweifeln, ob es wirklich die sterblichen Überreste des Apostels sind, die dort begraben wurden. Dennoch strömen seit dem Mittelalter Pilger aus aller Welt zu dem bedeutenden Wallfahrtsort Santiago de Compostela und so entwickelte sich quer durch Europa ein System von Wegen der Jakobspilger. Hape entschied sich damals für den Camino Francés, den klassischen Jakobsweg, der 1993 in das UNESCO-Welterbe aufgenommen wurde. Er startete an der französischen Grenze von Saint-Jean-Pied-de-Port und pilgerte dann auf dem knapp 800 km langen Weg quer durch Nordspanien über die Pyrenäen nach Santiago de Compostela. Weil Hape sich das nicht ein zweites Mal zumuten wollte, schickt die Regisseurin den u.a. als Tatortkommissar bekannten Devid Striesow auf den Weg. Ich finde, Julia von Heinz hätte keinen Besseren finden können. Beide fluchen, leiden, freuen sich zum Verwechseln ähnlich und kommen so ganz allmählich mit sich ins Reine. Auch von der Stimme her hätte man mir den einen für den anderen verkaufen können. Warum sich so viele Leute als Jakobspilger Tag für Tag 30 km lang bei sengender Hitze oder im strömenden Regen mit mindestens 13 kg Gepäck auf dem Rücken bergauf und -ab schleppen, hat sich mir auch durch den Film nicht erschließen können. Ich schwanke zwischen Bewunderung, Mitleid oder einfach für verrückt erklären. Nach meinen Einkäufen kann ich gar nicht früh genug meinen meist 10 kg schweren Rucksack abwerfen und an die wundgelaufenen Pilgerfüße und die Blasen möchte ich erst gar nicht denken. Eine Entschädigung für die Strapazen ist bestimmt die atemberaubend schöne und abwechslungsreiche Landschaft Nordspaniens mit den hübschen alten Dörfchen und Städtchen am Wegesrand. Aber anstatt sich dort abends in einem gemütlichen Hotelzimmer einzumieten, kann man sich glücklich schätzen, in der Pilgerherberge eine unkomfortable Schlafgelegenheit in einem riesigen überfüllten Schlafsaal zu ergattern. Zu einer dieser Herbergen pilgere ich übrigens mehrmals im Jahr. Eine Szene wurde in der Zitadelle Spandau „vor den Toren Berlins“ und damit etwa vier km von meiner Haustür entfernt gedreht. Zwischen den Dialogen und den von Striesow zitierten täglichen Erkenntnissen Hapes war genug Zeit für eine sehr detaillierte Beschreibung von Land und Leuten. Diese Zeit hat der Autor der Hörfilmbeschreibung perfekt genutzt. Vor meinem geistigen Auge entstanden unendlich viele tolle Bilder, nachdem mir der Sprecher dank der App Greta die Schlüsselworte in mein Ohr geflüstert hat. Hape stürzte sich damals zwar alleine in sein Pilgerabenteuer, blieb es aber nicht lange. Immer wieder kreuzt sich sein Weg mit dem der herzerfrischend kecken Lena und der nachdenklichen und etwas geheimnisvollen Stella. Auch diese beiden Frauen sind toll besetzt mit Karoline Schuch und Martina Gedeck. Ein Extra-Bonbon ist Katharina Thalbach als Hapes Omma, die bei den Rückblenden in dessen Knabenalter gar nicht oft genug auftauchen konnte. Mehrmals brachte es den echten Hape auf die Palme, wenn er unterwegs an Hunden vorbeipilgerte, die in der prallen Sonne ohne Wasser angekettet waren. Eine dieser armen Kreaturen, die er Pepe nannte, nahm er einfach mit und versuchte, für sie ein neues Zuhause zu finden. Dieses traurige Thema kommt im Film glücklicherweise zu kurz. Ich würde von der Pilgerschaft garantiert mit einem Tross geretteter Katzen und Hunde im Schlepptau zurückkehren. Schade, daß Hape sich im Dezember 2014 noch einmal verabschiedete, und zwar bis auf weiteres aus dem großen Showgeschäft!

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