Blog Blindgaengerin

Moviemento

Bus Spencer und Terence Hill in einer Filmszene. Sie stehen mit erhobenen Händen vor einem LKW, während ein Polizist die Pistole auf sie richtet.

Sie nannten ihn Spencer

Gemeinsam waren und bleiben die zwei unausstehlich und einfach unschlagbar, unschlagbar komisch! Waren es die da? Die mit der Krimiserie „Die 2“ 1972 lässig, witzig, mit Leichen und einem Hauch Noblesse im ZDF für frischen Wind auf den deutschen Mattscheiben sorgten? Nö, die 2 konnten ja nicht auf der Leinwand! Oder die da?  Zwei nicht gerade kleine Italiener, die ihre Gegner extrem geräuschvoll, ohne dabei Blut zu vergießen, auf der großen Kinoleinwand versemmelten? Na klar, die sind gemeint! Der eine ist Mario Girotti, den sie Terence Hill nennen. Von dem Dicken, Carlo Pedersoli, muß man wie im Titel des Dokumentarfilms in der Vergangenheitsform sprechen: „Sie nannten ihn Spencer“ Den Kinostart des Films über sich hat Bud Spencer leider nicht mehr erlebt, er starb letztes Jahr im Alter von 86 Jahren in Rom. Über Jahrzehnte harmonierten die beiden prächtig und super erfolgreich als Dreamteam miteinander. Und das sowohl vor der Kamera als auch dahinter, eine absolute Ausnahme in der Filmbranche. „Vier Fäuste für ein Halleluja“ Dieser Film stellte alle meine vorherigen Kinoerlebnisse in den Schatten, vor ca. 45 Jahren in einem Autokino bei Mannheim! Ich war hin und weg von den Sprüchen, die sich die beiden im Sekundentakt entweder gegenseitig oder gemeinsam unausstehlich den Gegnern um die Ohren hauten. Terence Hill hatte bei mir gleich einen Stein im Brett, weil er so freundlich auf sein Pferd einquatschte und sich mit diesem auch noch die legendäre Pfanne Bohnen teilte. Wohl bekomm’s, Pferd! Bud Spencers Roß kam in diesen Genuß nicht. Wenn Bud teilte, dann teilte er aus, nämlich deftige Sprüche und saftige Backpfeifen. Seine Bohnen wie überhaupt alles Eßbare teilte er nicht, niemals mit niemanden, Vierbeiner inbegriffen. Mit den zwei Kerlen wie Pech und Schwefel konnte man Pferde stehlen, und ich hätte sehr gerne mitgemacht. Deshalb war für mich der Dokumentarfilm über Bud Spencers Leben, zu dem Terence Hill gehört wie das Salz in die Suppe, ein MUSS! Und gleich beim ersten der vielen Filmausschnitte sprang der Funke der Begeisterung auf uns alle im Kinosaal über, genauso wie früher. Bei den Spencer/Hill-Filmen sind entgegen dem momentanen Trend, internationale Filme im Original mit Untertiteln zu schauen, gerade die deutschen Synchronfassungen das Kultige. Das liegt daran, daß die italienischen Dialoge durchweg sehr geschmeidig eher eingedeutscht als einfach nur übersetzt und dann von herausragenden Stimmen gesprochen wurden. Für Bud Spencer donnerwetterten sich über zehn Sprecher von einem Moment zum anderen dröhnend in Rage. Am häufigsten taten das Wolfgang Hess, Arnold Marquis und Martin Hirthe. Terence Hill, den – abgesehen vom weiblichen Geschlecht – nichts aus der Ruhe bringen konnte, lieh seit 1972 Thomas Danneberg sehr lässig seine Stimme. Das, was man von all diesen tollen Stimmen zu hören bekommt, ist aber nicht einfach nur Deutsch, sondern „Schnodderdeutsch“. Maßgeblich diesen neuen Synchronstil geprägt und den Begriff des „Schnodderdeutsch“ dafür erfunden, hatte Anfang der 70er Jahre, wie kann es anders sein, ein Berliner! Rainer Brandt peppte bei 15 Spencer/Hill-Filmen die Originaldialoge mit zusätzlichen Witzen, Wortspielen, Kalauern und flapsigen Sprüchen auf. Zwischendurch wurde auch mal gerne ä bissje hessisch gebabbelt, gesächselt und so weiter. Seinen Anfang nahm das Schnodderdeutsch 1972 im Fernsehen und deshalb machte ich es wie Nina Hagen: Ich glotzte TV, möglichst jede Folge von der Serie „Die 2“. So schön bunt, daß man sich gar nicht entscheiden konnte, war es damals in unserer Glotze noch nicht. Aber die 90 Minuten mit dem smarten Duo verflutschten auch in schwarz-weiß für meinen Geschmack viel zu schnell. Die schnodderdeutschen Texte für die Krimiserie stammten von Rainer Brandt, und der kann nicht nur schreiben, sondern auch noch hervorragend sprechen. Das tat er unter anderem für Tony Curtis als Danny Wilde, einem Teil dieses smarten Duos. Jetzt aber wird‘s höchste Zeit für das dritte Duo! Was macht ein Fan, der sein Idol um jeden Preis der Welt einmal persönlich treffen möchte? Dasselbe wie zwei Fans: Sich auf den Weg! Und genau das tun diese beiden Fans, Marcus Zölch aus Augsburg und Jorgo Papasoglou aus Berlin. Ausgewählt unter Bud Spencers gigantischer Fangemeinde und auf die Reise geschickt hat sie der Regisseur des Dokumentarfilms, Karl-Martin Pold. Statt auf Pferderücken zuckeln die zwei mit einem alten VW-Bus, der seine besten Tage hinter sich hat, von Deutschland über Paris und Toulouse nach Rom. Es gibt unterwegs keine Bohnen, aber ein Lagerfeuer am Zelt und Marshmallows tun‘s doch auch. Im Gepäck haben die zwei unermüdlichen Helden ein Akkordeon und eine Marionettenpuppe. Und das Wichtigste: Jeder seine ganz besondere und höchstpersönliche Geschichte, die er seinem Idol Bud Spencer unbedingt erzählen möchte. In den 120 Minuten über das aufregende und vollgepackte Leben des Carlo Pedersoli, den sie Bud Spencer nannten, kommen zwischen den schon erwähnten Filmschnipseln viele seiner Weggefährten zu Wort. Was hier entstand, ist aber nicht nur einfach ein Dokumentarfilm, sondern eine sehr liebevolle Hommage an den Dicken! Das gelang vor allem wegen der immer wieder auftauchenden sympathischen Helden Marcus und Jorgo. Und schließlich nicht zu vergessen wegen des Erzählers, der mit seiner lässigen Stimme (Thomas Danneberg) natürlich auf Schnodderdeutsch (Rainer Brandt) in dem Trubel für Ruhe sorgt. Gesehen habe ich den Film wie vor einiger Zeit die „Tigergirls“ in Kreuzberg im Kino Moviemento. Die beiden Mädels liefen mir damals am Kottbusser Damm zwar nicht über den Weg, dafür aber jetzt Jorgo Papasoglou. Genauer gesagt, er stand und ich gesellte mich in Begleitung meiner Schwester zu ihm. Dieses Blind Date, Jorgo ist noch blinder als ich, war von meiner Seite her kein Zufall. Ich wußte, daß er an jenem Abend im Kino sein würde und konnte ihm wie alle Kinobesucher Löcher in den Bauch fragen. Sein Bauch hat das übrigens sehr gut ausgehalten! Die Audiodeskription habe ich leider nicht in die Ohren bekommen, weil der Film nicht auf der Liste der App Greta aufgetaucht ist. Das hole ich mit der DVD nach und bin sehr gespannt, ob die Hörfilmbeschreiber in dem Wortwust überhaupt Lücken zum Beschreiben gefunden haben.

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Filmstill aus "Tiger Girl": Die beiden Tigergirls in schwarzen Uniformen mit der Aufschrift "Security" auf dem Rücken laufen über eine Wiese im Park. Die vordere trägt ihr blondes langes Haar zu einem Zopf, darüber ein Basecap. Im Hintergrund sitzen zwei Leute im Gras.

Tiger Girl

Laß die zwei jungen Frauen einfach drauflos spielen, ist die Devise des Herrn Lass. Mal schauen, wo die „Reise“ dann hingeht. Geographisch gesehen, beginnt und endet alles aber auch nur beinahe vor meiner Haustür. Die Streifzüge von Ella Rumpf als Tiger und Maria Dragus als Vanilla finden natürlich in dem angesagteren Teil Berlins statt, in dem das Leben tobt, und nicht im eher beschaulichen Spandau. Vielleicht war es deshalb aussichtslos, ein Kino halbwegs in meiner Nähe zu finden, in dem der Film „Tiger Girl“ gezeigt wird. Dem Ur-Spandauer wird nachgesagt, seinen Bezirk nur höchst ungern über eine der drei Brücken über die Havel zu verlassen und, wie er meint, „nach Berlin“ zu fahren. Ich als Zugezogene genieße das etwas ruhigere Leben im Grünen mit viel Wasser sehr. Genau so gerne stürze ich mich aber in das kulturell übersprudelnde Chaos jenseits der Havel. So beispielsweise für „Tiger Girl“ ins tiefste Kreuzberg zum Kottbusser Damm Nr. 22. Dort im ersten Stock ist das von den Betreibern mit viel Herzblut und Engagement geführte Kiezkino Moviemento. Nach dem Kino wieder auf der Straße, kamen plötzlich Tiger und Vanilla in geklauten Uniformen an mir vorbeipatrouilliert, um nach ihren unkonventionellen Vorstellungen für Recht und Ordnung zu sorgen. Nein, natürlich nicht! Aber so abwegig ist der Gedanke gar nicht. Häufig waren die belebten Straßen und Parks Berlins die Kulisse, genau so, wie sie nun einmal sind. In diesem sogenannten dokumentarischen Umfeld ließ der Regisseur Jakob Lass seine Hauptfiguren Tiger und Vanilla recht frei agieren. „Frei“ bedeutete hier ohne vorgegebene Dialoge und mit nur sehr allgemein gehaltenen Ansagen über den Verlauf seiner Filmgeschichte, in der es um die Freundschaft zweier total verschiedener Frauen Anfang 20 geht. Absolut unvorhersehbar, unberechenbar, schnell, witzig, liebevoll und sanft, aber auch brutal geht es dabei zu, wie das Leben eben so pinkelt! Besonders überraschend ist das Ende, da hat sich wohl bei allen im Kinosaal ein fettes Grinsen breitgemacht! Und ohne die Audiodeskription über die App Greta hätte ich bestimmt nicht mitgrinsen können. Zum Schluß geht es noch einmal richtig rund und dabei fallen nur wenige klärende Worte. Eine große Herausforderung muß die Beschreibung der Kampfszenen gewesen sein, wessen Bein oder Faust bei den teils akrobatisch und tänzerisch anmutenden Choreographien welchen Körperteil des Gegners oder der Gegnerin traf. Darüber war ich immer bestens im Bilde. Das gilt auch für Tigers und Vanillas grundverschiedenes Äußeres mit ihren ständig wechselnden Outfits. Genauso unverwechselbar wie das Erscheinungsbild der beiden waren ihre Stimmen, was mir sehr beim Sortieren der Akteure half. Hätte mir die Audiodeskription eine junge, kecke, weibliche Stimme ins Ohr geflüstert, wäre der Hörgenuß einfach perfekt gewesen. Die mir wohlvertraute Stimme des Sprechers mit einem wenn auch nur sehr dezent bayerischen Einschlag, die ich prinzipiell sehr gerne höre, wollte sich für meine Ohren nicht so recht in das Ganze einfügen. Aber das niedrig angesetzte Budget für den Film und damit auch für die Audiodeskription ließ wohl keinen Spielraum, externe Sprecher zu engagieren. Jakob Lass und sein Team konnten sich übrigens über die Unterstützung der fast ein bißchen verschwörerisch klingenden Initiativen „Alpenrot“ und „Leuchtstoff“ freuen. Deutschlands größter Filmproduzent Constantin Film und der RBB mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg wollen damit genau solche jungen, engagierten und experimentierfreudigen Filmemacher fördern. Aus dieser Ecke sind bestimmt noch spannende Projekte zu erwarten! Zum Schluß lasse auch ich, und zwar die Filmlöwin zu Wort kommen! Sie hat sich schon während der Berlinale an „Tiger Girl“ herangepirscht, wo der Film in der Sektion Panorama Special seine Premiere feierte. Ob sie ihre scharfen Krallen ausgefahren und ihre Raubkatzen-Kollegin in Streifen gefetzt oder wohlwollend schnurrend mit Samtpfoten angepackt hat? Hier steht‘s geschrieben: http://filmloewin.de/berlinale-2017-tiger-girl/  

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