Blog Blindgaengerin

Die Goldfische

Auch Goldfische haben, wenn sie eine Reise tun, etwas zu erzählen.
Und das sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen!

Nur Michi (Jan Henrik Stahlberg) und das Maskottchen Goldi, der einzige echte Fisch in der Chaotengruppe

„Die Goldfische“

sprechen kein einziges Wort. Die anderen vier zweibeinigen Mitbewohner der WG dafür umso mehr!
Das sind Franzi (Luisa Wöllisch), Oliver (Tom Schilling), Rainman (Axel Stein) und Magda (Birgit Minichmayr).

„Mußt du immer alles gleich in dich reinstopfen?“
Diesen Spruch bekam ich vor Jahren bei einem Essen in einem gediegenen Restaurant zu hören und in der Stimme lag gleich viel Wut wie Besorgnis.
Kurz zuvor hatte ich verkündet, auch das kleine Tellerchen, auf dem eine Krabbe drapiert war, gleich mitverspeist zu haben. Ich dachte, das war so gedacht, aber die Muschelschale war eben eine echte Muschelschale!

Diese Episode kam mir schlagartig in den Sinn, als Magda die Karaffe an ihre Lippen führt, in der Goldi gerade zwischengelagert wurde.
Sie trinkt und schwupps, das war’s mit dem Goldfisch!
Die Blindgängerin Magda schüttet nämlich alles, was ihr in die Finger kommt, in sich hinein, bevorzugt Whiskey.

Laura (Jella Haase) ist entsetzt. Sie betreut die Wohngruppe und hat gerade erst das Aquarium samt Fisch angeschleppt.
Der Mitbewohner Rainman ist wie Michi Autist und nutzt unverzüglich das Aquarium, um darin sein Shirt zu waschen. Bei dieser Aktion landet Goldi erst im Spülbecken und dann in besagter Karaffe.
Mitgehangen, mitgefangen, so tritt nun auch Goldi den Kurztrip der WG in die Schweiz an.

Initiator dieses Ausflugs ist Oliver. Der jung-dynamische Portfoliomanager ist nach einem schweren Autounfall querschnittsgelähmt und sitzt seit drei Monaten im Rollstuhl. Jetzt sind ihm auch noch die deutschen Steuerfahnder auf der Spur. Er muß schnellstmöglich sein prall gefülltes Schließfach in einer Züricher Bank ausräumen.

„Geld stinkt nicht“ sagten schon die alten Römer.
Trotzdem ist das Risiko groß, daß die Scheine bei der Kontrolle an der Schweizer Grenze von Hunden erschnüffelt werden. Aber wer kontrolliert schon einen Kleinbus mit fünf behinderten Fahrgästen? Denkt sich Oliver insgeheim und los geht’s!

Die fünfte in dem liebenswerten Quintett der Goldfische ist Franzi. Sie liebt Pferde, haßt Kamele und hat das Downsyndrom. Sie sagt ohne Umschweife, was sie will, und setzt fast immer ihren Kopf durch. Es fällt auch wirklich schwer, sich ihrer Logik zu entziehen.

Jetzt fehlt noch der Fahrer des Busses. Diesen Job übernimmt der Pfleger der Gruppe, der rauhe, aber herzliche Eddy (Kida Khodr Ramadan). Ihn hat Oliver als einzigen in den wahren Grund des Ausflugs eingeweiht, ob das so schlau war?

Sehr klug war jedenfalls, daß sich der Regisseur und Drehbuchautor Alireza Golafshan und die Produktion Wiedemann & Berg durch die Leidmedien kompetent beraten ließen!
Dabei ging es um die Handlungsstränge im Drehbuch und daß gängige Klischees über behinderte Menschen vermieden werden sollten.
Ob das wirklich gelungen ist, kann ich am besten bei der blinden Magda beurteilen. Einen Goldfisch hätte ich zwar wahrscheinlich nicht verschluckt, aber Magda hatte ja meistens einen im Tee und da kann so etwas schon einmal vorkommen. Ansonsten ist sie extrem taff, macht ihr eigenes Ding und ist, wie sich das gehört, immer mit dem Langstock unterwegs. Der war ihr allerdings beim Lenken des Kleinbusses keine Hilfe. So etwas funktioniert nicht einmal im Film!
Gelacht wurde bei der Gagdichte im Kinosaal fast ohne Pause und das ging nie auf Kosten der Filmfiguren, also Daumen hoch!

Die Leidmedien hätten es natürlich gerne gesehen, wenn alle Rollen von Menschen mit Behinderung gespielt worden wären. Das hat nur bei Franzi geklappt, die ganz bezaubernd von Luisa Wöllisch gespielt wird, einer Schauspielerin mit Downsyndrom.
Ein Grund, weshalb die anderen Filmfiguren nicht entsprechend besetzt wurden ist, daß es an bereits bekannten Schauspielern und Schauspielerinnen mit Behinderung einfach fehlt. Und da beißt sich die Katze wieder einmal in den berühmten Schwanz. Zu diesem Thema verweise ich auf die interessanten Interviews, die Leidmedien mit einigen Mitwirkenden der Goldfische führte:

Die Goldfische – Leidmedien.de – Über Menschen mit Behinderung …

Bei soviel Einsatz, alles richtig zu machen, versteht es sich eigentlich von selbst, daß die Audiodeskription und die erweiterten Untertitel bei der Greta und Starks App bereitgestellt waren. Sonst wäre das Geld für die Kinokarte auch eine totale Fehlinvestition gewesen!
Ein bißchen habe ich das Hörfilmbeschreiberteam
Flora Buchinger, Lisa Madl, Redaktion Alexander Fichert
um die bestimmt oft knifflige Arbeit an den Goldfischen beneidet.
Die Zeit zwischen den Dialogen war immer sehr kurz und die Aktionen auf der Leinwand dafür um so komplexer. Ich denke nur an das Drama um Goldi! Aber was ich von der Sprecherin Ilka Teichmüller zu hören bekam, ließ mich immer im gleichen Moment lachen wie die anderen auch. Das ist das beste Zeichen für eine gelungene Audiodeskription!

„Die Goldfische“ ist der erste Film von Sony Pictures Entertainment, der über die Greta und Starks App bereitgestellt wurde. Ich wünsche mir und hoffe, daß aus diesem schönen Anfang eine gute Tradition wird. Denn sonst bleibt auch die beste Audiodeskription im Kinosaal meist stumm wie ein Fisch.

1 Kommentar zu „Die Goldfische“

  1. Pingback: Presseschau zum Film "Die Goldfische" - Leidmedien.de - Über Menschen mit Behinderung berichten.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

3 × vier =

Zurück
Nach oben scrollen