Blog Blindgaengerin

April 2018

Neben einer jungen Birke steht die Blindgängerin auf einer Wiese im Park. Sie trägt hellblaue Jeans und ein gelbes kurzärmeliges Shirt, im Haar steckt eine Sonnenbrille. In der Hand hält sie ihre Kopfhörer und zwei Kinokarten. Der Himmel ist tiefblau und wolkenlos.

Kinowetter hin oder her!

Ich war drin, zweimal bei blitzeblauem Himmel und sommerlichen Temperaturen! Und ich kam auch wieder raus und das Wetter nach dem Kino war das vor dem Kino. Verpaßt habe ich diesbezüglich also nichts und obendrein diese beiden Filme geschaut: „3 Tage in Quiberon“ und „Steig. Nicht. Aus!“ Und der Greta-App, zu meiner Freude beide Male an meiner Seite, ist das Wetter sowieso völlig wurscht! Kühler als in Berlin war die herrlich frische Meeresluft während der 3 Tage in Quiberon Romy Schneider verläßt das Kurhotel auf der bretonischen Halbinsel nicht ohne Strickjacke, Trenchcoat und einem Tuch oder Schal. Die große Sonnenbrille nutzt sie vor allem, um sich dahinter zu verstecken. Sie? Non, je ne suis pas Sissi, je suis Maria Bäumer! Am Abend vor meinem Kinobesuch kam – leider ohne Audiodeskription – eine ältere Reportage über die im Mai 1982 gestorbene Romy Schneider mit vielen Live-Ausschnitten im Fernsehen. Ich hatte noch ihre Stimme, ihr Lachen und ihre Art zu sprechen im Ohr. Wenn ich‘s nicht besser gewußt hätte, ich hätte den Film für Teil zwei der Reportage gehalten. Der Kinofilm lief zum Glück mit Hörfilmbeschreibung. Ein riesiges Bravoooo, Marie Bäumer! Und Glückwunsch für die Lola als beste Hauptdarstellerin!!! Romy Schneider hätte sich bestimmt in jeder noch so kleinen Nuance der Filmkollegin wiedererkannt! Ein Jahr vor ihrem Tod gewährte die Filmlegende dem Reporter des „Stern“, Michael Jürgs, und dem Fotografen Robert Lebeck drei Tage lang wie noch nie zuvor im doppelten Sinne ungeschminkte Einblicke in ihre momentane Verfassung, weil sie das so wollte! Die damals 42-jährige sprach über ihre Zukunftspläne und sparte auch die Vergangenheit nicht aus. Immer mit dabei war allein ihre Jugendfreundin Hilde Fritsch. Und mit Betonung auf „so ähnlich“ wie im Film könnten sich diese drei Tage in Quiberon im März 1981 abgespielt haben. Die Regisseurin Emily Atef nutzte das im „Stern“ veröffentlichte legendäre Interview als Leitfaden für ihren Film in schwarz-weiß, ohne es zu kopieren, und wurde dafür mit der Lola für die beste Regie ausgezeichnet! Den vier Protagonisten in allen möglichen Konstellationen beim Diskutieren, Lachen, Traurigsein, sich mißtrauisch Beäugen, beim Trösten und ernst geführten Gesprächen zuzuschauen und zuzuhören wird nicht eine Minute langweilig. Am liebsten hätte ich bei einer Spontanfeier in einem Bistro mitgefeiert. Der Champagner fließt in Strömen und es wird ausgelassen zu „Hush“ getanzt, einem der großen Hits von Deep Purple. Allen Grund zum Feiern hatte übrigens das gesamte Filmteam, das zehnmal beim Deutschen Filmpreis nominiert war und mit sieben Lolas nach Hause ging! In der Kategorie „beste Nebendarstellerin“ gewann Birgit Minichmayr als Hilde Fritsch und in der des besten Nebendarstellers Robert Gwisdek als der Reporter Michael Jürgs. Der ebenfalls nominierte Charly Hübner in der Rolle des Fotografen ging leider leer aus. Dafür bekommt er von mir eine Lola in der Kategorie „sympathischste Laudatio“, die ich mir gerade ausgedacht habe. Mit einer Liebeserklärung an deren schauspielerische Leistung stellte er die drei Kandidatinnen in der Kategorie „beste Hauptdarstellerin“ vor. Und genauso wie er sich im Film rührend um Romy kümmerte, war er auf der Bühne zur Stelle, um die vor Freude völlig aufgelöste Marie Bäumer aufzufangen. Zum krönenden Abschluß wurde die berührende Nahaufnahme von Romy Schneider schließlich noch mit der Lola für den besten Spielfilm gekürt. Ich möchte zum Schluß den inzwischen 74-jährigen Michael Jürgs zu Wort kommen lassen. Der Journalist und Autor bekam das Drehbuch zu lesen und bezeichnete die von ihm festgestellten Abweichungen von der Realität als Freiheit der Kunst. Darüber spricht der sympathische Jürgs im NDR Talk, auf den ich hier gerne verweise! https://www.ndr.de/info/sendungen/talk/Michael-Juergs-im-Gespraech,sendung752856.html Der Fotograph Robert Lebeck konnte sich diesbezüglich nicht mehr äußern, er starb vor vier Jahren. Und jetzt geht’s mit Blitz und Donner und launischem Aprilwetter in ein anderes Genre, einen rein fiktiven spannenden Thriller! Nach einem turbulenten Landeanflug auf den Flughafen Berlin-Tegel steigt der Bauunternehmer Karl Brendt in Steig. Nicht. Aus! trotzdem aus! Noch ist in seiner Welt soweit alles in Ordnung und in ein Flugzeug zu steigen soll ja statistisch gesehen auch viel ungefährlicher sein als in ein Auto. Das wird sich gleich auf dramatische Weise für Karl, seine 16-jährige Tochter Josefine und den achtjährigen Sohn Marius bestätigen. Denn wer in ein Auto einsteigt, will auch wieder aussteigen. Das müßten die drei allerdings mit ihrem Leben bezahlen. Ganz schön perfide, was sich der Erpresser bzw. der Regisseur Christian Alvart da hat einfallen lassen! Karl rast verzweifelt und telefonierend in seinem Wagen mit den Kindern durch Berlin und versucht, die Forderungen des Erpressers zu erfüllen. Das Auftauchen der Polizeieiei scheint die Lage eher zu verschlimmbessern. Aber die Sprengstoffexpertin Pia Zach (Hannah Herzsprung) ist ein kleiner Hoffnungsschimmer. Ein großer Hoffnungsschimmer für den deutschen Film sind besonders Emily Kusche als Karls Tochter und Carlo Thoma als sein Sohn. Und der Filmpapa Wotan Wilke Möhring gefiel mir natürlich auch. Spannend bleibt die Irrfahrt der drei bis zur letzten Minute und das Ende ist sehr originell und absolut unvorhersehbar. Ohne Hörfilmbeschreibung hätte ich ganz schön das Nachsehen gehabt! Das Wetter vorherzusehen, überlasse ich besser den Fachleuten und die Vorhersage spielt sowieso keine Rolle, weil Kinowetter hin oder her, ich geh rein! 

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Das Portrait von Elle Marja im Halbprofil vor einer unscharfen Landschaft im Hintergrund. Das junge Mädchen hat dunkle wache Augen. Die langen braunen Haare sind seitlich gescheitelt und zu einem Zopf geflochten, der über der Schulter liegt.

Das Mädchen aus dem Norden

…kommt aus Schwedisch Lappland in Norrland, dem nördlichsten Teil Schwedens, und am 05. April in die deutschen und österreichischen Kinos! Elle Marja, ganz wunderbar gespielt von Lene Cecilia Sparrok, hat das Team der Kinoblindgänger gGmbH sofort begeistert und in ihren Bann gezogen. Das war die Gelegenheit, einmal einen Film mit einer starken Frauenfigur als Projekt zu wählen! Deshalb wird „Das Mädchen“ auch von der Marie begleitet. Das heißt, es gibt eine Audiodeskription und erweiterte Untertitel, finanziert und produziert von der Kinoblindgänger gemeinnützige GmbH! Einfach großartig ist, daß auch in Österreich alle Kinobegeisterten barrierefrei bei „Das Mädchen aus dem Norden“ auf ihre Kosten kommen. Die barrierefreie Fassung ist nämlich für beide Länder auf der Greta und Starks App zum Download bereitgestellt!!! Obwohl es so weit in nördliche Gefilde geht, mußte sich Marie, das Maskottchen von Kinoblindgänger gGmbH, nicht warm anziehen. Der Schnee ist längst geschmolzen, die saftig grünen Bergwiesen blühen und die Rentierkälber werden gerade markiert. Dieses Ritual vollziehen die Rentierzüchter bis heute immer nach Mittsommer in den Monaten Juni und Juli. Aber darum geht es in der Geschichte, die hauptsächlich im Schweden der 30er Jahre spielt, nur am Rande, oder vielleicht doch nicht nur? Sehr behutsam und getragen von stimmungsvoller Musik gelingt der Regisseurin Amanda Kernell nach den ersten Filmminuten ein Zeitsprung in die Vergangenheit. Und schon sitzen wir mit der 14-jährigen Elle Marja auf einer Wiese. Sie wird sich in Kürze nach einem knappen Abschied von ihrer Mutter und einem herzlichen von ihren Großeltern auf den Weg in ein Internat machen, gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester. Die fünfköpfige Familie gehört zu dem Volk der Samen, der Urbevölkerung Skandinaviens. Die Sami, wie sie sich selbst nennen, wurden bis in die 1970er Jahre noch als Lappen bezeichnet. Sie verstehen sich als ein eigenständiges Volk und haben bis heute eigene soziale, wirtschaftliche und politische Einrichtungen und kulturelle Traditionen beibehalten. Elle Marjas Familie züchtet Rentiere und lebt einsam in einer Kote in den Bergen. Jede Arbeitskraft zählt. Es wird erwartet, daß Elle Marja nach dem Aufenthalt in der Internatsschule eigens für Kinder von samischen Eltern schnellstmöglich zurückkehrt. Aber zunächst gibt es einen Hörschnipsel zur ersten Etappe des Schulwegs der beiden Schwestern: Hörschnipsel 1 Hier sprechen die Mädchen noch samisch miteinander und Elle Marja singt einen Joik, um ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester das Heimweh zu vertreiben. Das Joiken ist ein Spontangesang, mit dem Stimmungen und emotionale Situationen ausgedrückt werden. Mit dem Samisprechen und dem Joiken ist in der Schule allerdings unverzüglich Schluß! Es darf nur schwedisch gesprochen und gesungen werden. Elle Marja scheint als einzige der Schüler Gefallen daran zu finden. Sie ist die Klassenbeste und kann ihren Wissensdurst kaum stillen. Sie bewundert ihre Lehrerin und sucht deren Nähe. Dazu Hörschnipsel 2 Aber nach diskriminierenden Anfeindungen einiger Jungs aus dem Dorf und erniedrigenden rassenbiologischen Untersuchungen an der Schule beschließt sie, ihren eigenen sehr eigenwilligen Weg zu gehen, allen Widerständen zum Trotz. Dazu Hörschnipsel 3 So behutsam wie beim Zeitsprung am Beginn des Filmes erzählt Amanda Kernell auch die ganze Geschichte des Mädchens. Und als Tochter eines Samen weiß sie, wovon sie spricht! In Elle Marjas Gesicht läßt sich wie in einem offenen Buch lesen, was sie gerade fühlt. Ob sie begeistert, wütend, erstaunt, ernst oder freudig erregt ist, das Hörfilmbeschreiber-Team hat ihre jeweiligen Gefühlslagen möglichst genau beschrieben. Das gilt auch für die wunderschönen Landschaftsbilder, hier ist eine Hörfilmbeschreibung also unverzichtbar! Der Text der Audiodeskription stammt von der Autorin Inga Henkel und mir. Lena Hoffmann machte die Redaktion und Susanne Hauf sprach das Ergebnis mit ihrer schönen ruhigen Stimme ein. Genauso sanft wie in die Vergangenheit holt uns Amanda Kernell am Schluß wieder in die Gegenwart zurück! Und auch ich komme zum Ende, aber nicht ohne auf den Filmtrailer zu verweisen, den die Kinoblindgänger gGmbH ebenfalls barrierefrei gemacht hat! Den Trailer, noch mehr Details zum Film, und wie ihr die Projekte unterstützen könnt, findet ihr unter http://www.kinoblindgaenger.com/projekte/das-maedchen-aus-dem-norden/  

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