Blog Blindgaengerin

Gesehen gehört

Daniel Craig als James Bond vor einer stilisierten Pistole. Rechts auf dem Filmplakat in goldener Schrift der Titel "Keine Zeit zu sterben".

James Bond 007 – Keine Zeit zu sterben

„Der Hauch des Todes“ umspielt ihn auf Schritt und Tritt, wenn er zumeist „Im Angesicht des Todes“ die Welt rettet!Bei seinen bisherigen Missionen hatte der Geheimagent James Bond allerdings einfach keine Zeit zu sterben. Der aktuelle Filmtitel läßt viel Raum für Spekulationen darüber, ob oder ob nicht?Ich könnte, wenn ich wollte, ein bißchen ausplaudern, aber mir kommt kein Sterbenswörtchen über die Lippen. Das ist Ehrensache, denn auch ich war vor einem Jahr in geheimer Mission mit Holger Stiesy unterwegs. Bei einem konspirativen, aber eher unspektakulären Treffen besprachen wir Holgers Text der Audiodeskription für „Keine Zeit zu sterben“. Was für eine große Freude und nur soviel sei zum Film verraten, beide Daumen hoch! Nachdem anschließend Hannah Schwarz ein kritisches Auge auf den Text geworfen hatte, kam die sehr routinierte Sprecherin Diana Gaul zum Zug. Und jetzt ist es endlich soweit, ich kann mir das Ergebnis im Kino über die Greta App anhören. Was für ein Fest und eine Premiere, einen Bond-Film zum Kinostart mit Hörfilmfassung über die App zu erleben! Ermöglicht hat dies Universal Pictures Germany und dafür ein ganz großes Dankeschön! Wie auch immer die Sache für Daniel Craig noch einmal als Bond ausgeht, es gibt „Ein Quantum Trost“. Denn das Leben geht weiter! Jetzt habe ich keine Zeit zu verlieren, rein in die Klamotten und los geht’s zum Palais am Funkturm.Ich sage nur soviel: LOLA!

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An einem Schreibtisch sitzt die Blindgängerin in gestreiftem Hemd mit schmaler schwarzer Krawatte und hellem Sakko. Sie locht Stapel von Papierbogen. Hinter ihr eine Regalwand mit Aktenordnern.

Coup

„Moin!“ Geht immer als Begrüßung im Norden. Nur die Kaffeetasse in Rüdis Hand läßt auf den frühen Morgen schließen. Ansonsten wäre es garantiert eine Bierflasche oder ein Kurzer.Nicht nur einmal düst er nach einer feuchtfröhlich durchfeierten Nacht direkt vom Schuppen des Motorradclubs in den Klamotten vom Vortag – Anzug, Kragen, Lederschlips – per Motorrad zur Arbeit in die Bank. Während seine Kumpels im Clubraum verteilt noch weiter ihren Rausch ausschlafen, ist sein Verstand schon hellwach. Deshalb gelingt ihm auch der grandiose „Coup“, seinen Arbeitgeber, eine Bank im Norden Hamburgs, diskret und zunächst unbemerkt um satte 2,5 Millionen DM zu erleichtern. Neugierig geworden, wie er das geschafft hat?Ganz banal eigentlich: Lochen statt Schnippeln!Aber das ist nur der erste Schritt. Die bis ins kleinste Detail aufgedröselte Auflösung gibt’s jetzt im Film von Sven O. Hill mit Audiodeskription und erweiterten Untertiteln über die Greta App im Kino. Marie – Kinoblindgängers mit Spenden- und Sponsorengeldern produzierte barrierefreie Filmfassungen – hatte ihre Hand auch mit im Spiel, natürlich ohne lange Finger gemacht zu haben. Eigentlich wird Marie nur bei internationalen Arthouse-Filmen aktiv, aber von „Coup“ war sie so begeistert… Sie mußte auch nicht so tief wie gewohnt in die Tasche greifen. Die Kosten teilte sie sich mit Salto Film. Aber wer hat sich diese unglaubliche Geschichte eigentlich ausgedacht?Kein Schriftsteller oder Drehbuchautor, sondern einer vom Fach!Ein Bankangestellter Anfang 20 war’s und die Geschichte spielte sich tatsächlich genauso im Jahr 1988 im Norden Hamburgs, in Luxemburg, im Frankfurter Bankenviertel und in Sydney ab. Wurde dem heute Mitte 50-jährigen seine Geschichte jetzt geklaut?Nein! Im Gegenteil, er war sofort damit einverstanden, daß Sven O. Hill die bei vielen Treffen gefilmten Original-Interviews für sein Regiedebüt „Coup“ nutzt.Mit viel Freude, oft verschmitzt lächelnd, erzählt er sehr ausführlich von damals und klingt wie ein Hamburger Urgestein. Nur seinen Namen behält er für sich. Bei den nachgespielten Szenen hat er aber einen!„Der ist ja genauso wie ich vor 30 Jahren“,so lautete sein begeisterter Kommentar über den Schauspieler und Musiker Daniel Michel, der als Rüdi seinen Coup noch einmal auf der Leinwand landet. Das Herzerfrischende an Sven O. Hills Film ist, daß sich die originalen Interviews, gemalte Animationen und nachgespielte Szenen sehr geschmeidig die Klinke in die Hand geben.Der beste Beweis ist schon der barrierefreie Trailer in Blindgängerins YouTube-Kanal! Außer Daniel Michel als Rüdi sind noch dabei:Tomasz Robak als sein Komplize TobiLeonard Kunz als Rocker SpeedyRocko Schamoni als RechtsanwaltPaula Kalenberg als Rüdis Freundin Apropos Freundin.Die Tonmeisterin Gislinde Böhringer fragte während der Sprachaufnahme der Audiodeskription bei 48hearts productions:„Der wird sich doch nicht etwa mit der Kohle vom Acker machen und Freundin und zweijährigen Sohn sitzenlassen?“Ich meinte nur abwarten! Des weiteren hatten folgende an der Audiodeskription/ den erweiterten Untertiteln Beteiligte ihr diebisches Vergnügen:Skript: Ralf Krämer, Barbara FickertRedaktion: Susanne LinzerSprecherin: Nadja Schulz-BerlinghoffErweiterte Untertitel: Anna Pristouschek Jetzt stehle ich mich vom Acker und verabschiede mich mit kriminellen Grüßen, oder doch lieber mit einem fröhlichen „Moin Moin“!

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Auf einer Wiese steht vor einem weißen Gatter in der Bildmitte ein braunes Pferd. Links neben ihm die Blindgängerin in Jeans und einem geblümten Shirt. In der Hand hält sie eine Wodkaflasche. Sie schmiegt ihre Wange an den Kopf des Pferdes. Rechts die Reitlehrerin Julia, die das Pferd hält.

Der Rausch

„Es trinkt der Mensch, es säuft das Pferd,bei manchen ist es umgekehrt.“ Ein Trinkspruch nur aus Sicht der Zweibeiner. Pferde saufen nämlich immer, aber ausschließlich alkoholfreies Wasser. Das dafür in riesigen Zügen. Wodka, nein danke, gab mir Pepino, der liebe Dunkelbraune mit herrlich wuscheliger Mähne, unmißverständlich zu verstehen. Statt sich für die Flasche in meiner Hand zu interessieren, ging sein Kopf bei jeder Gelegenheit runter zum lecker saftigen Gras unter seinen Hufen. Die Möhre, die aus der Hosentasche der Reitlehrerin Julia lugt, hatte er noch gar nicht entdeckt.Hier ein Dankeschön an das Gut Seeburg in Brandenburg fürs Erlauben des Fotoshootings mit Pepino, das mein Herz als Pferdenärrin höher schlagen ließ! Aber ich wollte ja eigentlich nix vom Pferd erzählen, sondern über Thomas Vinterbergs grandiosen Film „Der Rausch“ Ab sofort mit Audiodeskription und erweiterten Untertiteln über die Greta App im Kino! Der barrierefreie Filmtrailer ist jetzt auf dem YouTube-Kanal der Blindgängerin zu finden. Wodka, sehr wohl! Gibt’s zum ersten, aber keineswegs letzten Mal zum Kaviar.Nikolaj (Magnus Millang) feiert mit drei Freunden seinen 40. Geburtstag in einem Restaurant.Skål, prosten sich die vier immer wieder zu, wenn der Kellner schwärmerisch mit gastronomischer Lyrik nicht nur den Gästen den Mund wässrig macht. Die Marie, so nennt Kinoblindgänger seine mit Spenden- und Sponsorengeldern produzierten barrierefreien Fassungen, hat es wieder einmal in den Norden verschlagen.Der unter anderem mit einem Oscar preisgekrönte Film aus Dänemark, Schweden und den Niederlanden kann doch nicht ungehört und ungesehen an den Kinofans mit Hör- oder Sehbeeinträchtigung vorbeirauschen! Jetzt aber zurück ins Restaurant zu den vieren, die am selben Gymnasium unterrichten.Peter, der Musiklehrer (Lars Ranthe), ist schon bei der Champagnerrunde begeistert dabei, während der Sportlehrer Tommy (Thomas Bo Larsen) als Freund vom Frischgezapften erst überzeugt werden muß. Martin (Mads Mikkelsen) bleibt vernünftigerweise zunächst bei Wasser, weil er noch fahren und etwas für den Geschichtsunterricht vorbereiten muß. „Aber was heißt schon vernünftig“ wirft Nikolaj ein, der Psychologie unterrichtet, und bringt die Theorie des norwegischen Philosophen und Psychiaters Finn Skårderud auf den Tisch.Es sei aus vielen Gründen vernünftig, immer 0,5 Promille im Blut zu haben, meint der Wissenschaftler. Martin, der einige Probleme mit sich rumschleppt, kommt ins Grübeln und nippt nun doch an einem Wodka. Die letzten Zweifel wirft er über Bord, als er dem Gesang der Folkloretruppe lauscht: „Leere dein Glas, siehe, der Tod erwartet dich!“ Der feuchtfröhliche Abend geht zu Ende. Aber Skåderuds These bleibt in den Köpfen und die Freunde beschließen, die Theorie in die Praxis umzusetzen.Was für eine Schnapsidee! Das kann nicht gut gehen und ich verrate nur soviel, das tut es auch nicht unbedingt. Es ist jedenfalls ein Hochgenuß, dem hochkarätigen Ensemble bei den während eines Jahres durchlebten Hochs und Tiefs zuzuschauen. Dazu gehören auch Maria Bonnevie als Martins Frau Anika und Susse Wold als Rektorin. Alle an der Audiodeskription Beteiligten waren zwar berauscht, aber das hatte nichts mit irgendwelchen Flüssigkeiten zu tun.Text: Inga Henkel und Barbara Fickert, Redaktion: Lena HoffmannSprecherin: Johanna Maria Zehendner, Sprachaufnahme und Mischung: Alessandro Mongardini bei 48hearts productions/speaker-search. Die Erstellung der erweiterten Untertitel legte Kinoblindgänger wie immer vertrauensvoll in die sachkundigen Hände von Subs Hamburg.Stefanie Georgi hatte den Rausch bereits aus dem Dänischen übersetzt. Sie war mit dem Film also bereits sehr vertraut und das merkt man den SDHs auch an!Besonders gut gefällt mir bei den Untertiteln immer die Beschreibung der Musikstile.Der als funkige Instrumentalmusik beschriebene Song „Cissy Strut“ von The Meters macht sofort Gänsehaut und der Titelsong, eingeführt als schwungvoller Synth-Pop „What A Life“ von Scarlet Pleasure mag gar nicht mehr aus dem Kopf gehen! Zum Schluß muß ich den Trinkspruch allerdings etwas einschränken.Ich habe Pferde einmal genüßlich von einem Tablett Bier schlürfen gesehen und dazu paßt die Bestellung im Saloon aus einem Uraltwestern, die in meinem Kopf herumspukt:„Whiskey für mich, Bier für mein Pferd!“

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Vor einer braunen Holzhütte steht die Blindgängerin im Schnee. In ihrer ausgestreckten rechten Hand hält sie eine Hand aus Eis. Die Hände liegen wie bei einer Begrüßung ineinander.

Ein eiskaltes Händchen

Es ist ein ziemlich kräftiges und in Begrüßungspose erstarrtes Händchen geworden! Wie dafür gemacht, um das meinige ganz vorsichtig hineinzulegen. Fühlt sich ganz schön eisig an. Eine wohlig warme weiche Hand mit einem Menschen daran wäre mir zwar lieber, aber daraus wird wohl so schnell nichts. Stattdessen wäscht eine Hand die andere mit viel Seife, Warmwasser und so oft wie möglich! Schnellstmöglich nach dem unvermeidbaren Anfassen von Handläufen, Haltestangen in Bussen oder Griffen von Einkaufswagen die Hände zu waschen, war mir schon immer ein dringendes Bedürfnis. Nach dem Händeschütteln hatte ich das so nicht! Wie geht eigentlich eine Begrüßung per Handschlag ohne Blickkontakt? Ganz einfach, beherzt die Hand ausstrecken und darauf warten, bis das Gegenüber sie ergreift! Das hat eigentlich immer sehr gut funktioniert. Zusammen mit dem Händedruck und der Stimme konnte ich mir schon einmal ein erstes Bild von meinem Gegenüber machen. Und diese Möglichkeit der Berührung und Nähe fehlt mir zur Zeit sehr! Jetzt steht man sich im gebührenden Abstand gegenüber und raunt sich durch die Maske ein „Guten Tag“ oder „Hallo“ zu, vielleicht verbunden mit einem freundlichen Kopfnicken, das mir natürlich entgeht. Ich fühle mich dann meistens ein bißchen verloren. Aber da muß ich durch, an der strikten Einhaltung der AHA-Regeln führt kein Weg vorbei. Wehmütig denke ich an die Begegnung mit der Filmemacherin Waad al-Kateab Anfang März 2020 zurück. Ich durfte die beeindruckende junge Frau aus Aleppo vor der Premierenvorstellung ihres Dokumentarfilms „For Sama“ kurz treffen. An den herzlichen, energischen Händedruck mit ihrer für mich überraschend kleinen Hand und ihre sanfte Stimme werde ich mich immer erinnern! Und wie geht es jetzt mit meinem eiskalten Händchen weiter? Jedenfalls nicht zurück in den Gefrierschrank, wo es hergekommen ist. Es hat ein schönes Plätzchen vor einem Baumstumpf bekommen und wird sich witterungsbedingt allmählich einfach auflösen. Schade eigentlich, ein drittes Händchen könnte ich des öfteren ganz gut gebrauchen! Eines, das mobil ist, hören und auf Zuruf Gefälligkeiten erledigen könnte. Gibt’s nicht? Gibt’s doch, aber leider nur im Film bei der Addams Family! Dieser schräge durchgeknallte Clan hat einen Mitbewohner, eine abgetrennte Hand namens „eiskaltes Händchen“. Es jagt auf den Fingerspitzen tippelnd durchs Haus und macht sich auch andernorts nützlich. Zum Beispiel holt es die Zeitung oder kommt mit einem Brief über den Frühstückstisch gelaufen. Es kann aber auch ein Auto steuern und dabei das Autoradio einstellen. Die Geschichte dieser schrecklich schrecklichen Familie, mit der ich bei der Arbeit an der Audiodeskription für den Kinofilm „Die Addams Family“ aus dem Jahr 2019 erstmals in Kontakt kam, reicht weit ins letzte Jahrhundert zurück. Das eiskalte Händchen hat es mir besonders angetan und ich freue mich auf ein Wiedersehen bei der Fortsetzung, so der Plan, im Oktober 2021 im Kino mit „Die Addams Family 2“! Und jetzt hätte ich gerne ein Händchen, das mir ein Getränk bringt und das Abendessen serviert. Das Getränk darf eiskalt sein, Händchen und Abendessen müssen das nicht.

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Die Blindgängerin vor einer weißen Fassade, an der der Putz bröckelt. Sie trägt einen bunten Hidschab, einen langen schwarzen Mantel, und hält ihren weißen Langstock. Neben ihr sitzt ein Hund, dem sie den Kopf tätschelt. Auf der anderen Seite steht eine große Plastiktasche am Boden, gefüllt mit in Alufolie gewickelten Päckchen. Geldscheine quillen aus der Tasche.

Eine Frau mit berauschenden Talenten

„Zehner, Zwanziger, Fünfziger: So zahlen Hosenscheißer, sind Sie Hosenscheißer? Zeit ist Geld!“ herrscht Madame Hasch ungeduldig ihre neuen „Geschäftspartner“ an, während bündelweise Geldscheine durch eine Zählmaschine rattern. „Sind wir nicht…“ …entgegnen bedröppelt die etwas unterbelichteten Dealer Scotch (Rachid Guellaz) und Chocapic (Mourad Boudaoud). Die beiden sind schon wegen des Ortes, an dem sie die heiße Ware in Empfang nehmen, ziemlich nervös. Madame Hasch, berauschend gespielt von Isabelle Huppert, wählt für den ersten Deal in ihrem neuen Betätigungsfeld ausgerechnet den Parkplatz vor einem Männergefängnis. Sie ist eben „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ von Jean-Paul Salomé nach dem Roman „La Daronne“ von Hannelore Cayre, jetzt im Kino! Diese witzige und spannende Komödie aus Frankreich kann unmöglich an den Kinofans mit Hör- oder Sehbeeinträchtigung einfach so vorbeirauschen, dachte sich das Team von Kinoblindgänger. Gedacht, getan! Die Marie, so nennt Kinoblindgänger seine mit Spenden- und Sponsorengeldern produzierten barrierefreien Fassungen, ist auch schon ganz berauscht. Sie freut sich, daß die Audiodeskription und erweiterten Untertitel zum Kinostart bei der Greta App bereitstehen! Aber wer ist eigentlich diese Madame Hasch, die kofferähnliche karierte Plastiktaschen, die sie als „marokkanische Koffer“ anpreist, durch Paris schleppt und die Drogenszene aufmischt? Das interessiert die Ermittler des Drogendezernats und allen voran Hauptkommissar Philippe (Hippolyte Girardot) auch brennend. Und wenn sie wüßten, daß hinter der eleganten Erscheinung mit Hidschab, großer Sonnenbrille und Goldschmuck ihre Kollegin steckt! Patience arbeitet als Dolmetscherin und übersetzt genau in diesem Dezernat abgehörte arabische Telefonate aus der Drogenszene. Über dieses Dezernat kommt sie auch an DNA, einen in Rente geschickten Polizeihund, speziell auf Drogen abgerichtet. Beste Voraussetzungen also, die Polizei und die gefährliche „Konkurrenz“ an der Nase herumzuführen. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten! Nur soviel sei gesagt, Patience wird natürlich nicht von Knall auf Fall zu Madame Hasch. Dieser Schritt ist ein längerer Prozeß und Patience hat ihre Gründe. Neben turbulenten Actionszenen gewährt der Film Einblicke in ihr Leben. Sie ist seit vielen Jahren verwitwet, hat zwei erwachsene Töchter und kümmert sich liebevoll um ihre in einem Pflegeheim untergebrachte Mutter. Und dann ist da noch der Hauptkommissar Philippe. Im Trailer bekommt man schon so eine Ahnung, und den gibt’s mit Audiodeskription und erweiterten Untertiteln! Zu finden ist dieser Trailer im brandneuen Youtube-Kanal der Blindgängerin, den sie mit der Kinoblindgänger gGmbH teilt! Wer hinter der barrierefreien Fassung steckt, ist natürlich kein Geheimnis. Die Arbeit an der Audiodeskription trieb uns allen wegen der Dialogdichte, der vielen Personen und schnellen Szenenwechsel die eine oder andere Schweißperle auf die Stirn. Text Angela Bernhardt und Barbara Fickert, Redaktion Ralf Krämer und Jürgen Schulz, Sprecher der AD Felix Würgler, Sprecher und Sprecherinnen der Untertitel/ Voice Over: Pascal Cürsgen, Marco Wittorf, Susanne Hauf, Ilka Teichmüller. Produziert bei 48hearts productions/ speaker-search, Tonaufnahme Gislinde Böhringer. Die SDH/ erweiterten Untertitel erstellte Anna Pristouschek für subs, Hamburg. Die wunderbare Filmmusik von Bruno Coulais ist in den Untertiteln so treffend beschrieben, daß ich beim Lesen die entsprechenden Melodien im Ohr und die jeweilige Szene vor Augen hatte! Los geht es mit feierlicher Geigenmusik. Dann gibt es orientalischen Hip-Hop, auch mal cool. Majestätische Orchestermusik erklingt, dann dynamische arabische Musik, auch mal fetzig oder beschwingt, die sich steigert und dann abebbt. Französischer Rap kommt aus dem Radio und heitere chinesische Musik aus einem Park. Der Film klingt aus mit stimmungsvoller House Music. Und hier eine Aufzählung verwendeter Adjektive: Spannungsvoll, bedächtig, geheimnisvoll, dynamisch, sentimental, pulsierend, verspielt, rhythmisch, traurig, emotional, sanft! Alle Beteiligten hoffen, mit ihrer Arbeit möglichst vielen Kinofans die Freude an der „Frau mit berauschenden Talenten“ zu ermöglichen, denen dieses Filmerlebnis sonst verwehrt geblieben wäre. Und um noch einmal auf die eingangs erwähnten Geldscheinbündel zurückzukommen: Egal, ob Zehner, Zwanziger oder Fünfziger: Die Kinoblindgänger gGmbH freut sich, anders als Madame Hasch, über jeden Geldschein, denn das nächste Projekt kommt bestimmt! Die Zählmaschine wäre nicht das Problem, da helfen gerne alle mit…

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Die Blindgängerin in Jeans und geringeltem Shirt in der Hocke vor einer Wand mit Filmplakaten. In den Händen hält sie den weißen Stock und eine Atemschutzmaske. Rechts neben ihr das Plakat zum Film "Die perfekte Kandidatin".

Die perfekte Kandidatin

Meine Stimme wollte ich ihr schon gleich nach dem Kinostart am 12. März geben. Maryam, ganz zauberhaft gespielt von Mila Al Zahrani, ist „Die perfekte Kandidatin“! Aber dann mußten die „Wahllokale“ leider bis Anfang Juni schließen. Jetzt hat es endlich geklappt. Mit einem Online-Ticket feierte ich im Berliner Delphi Lux mit diesem feinfühligen Film der Regisseurin Haifaa Al Mansour meinen lang ersehnten ersten Kinobesuch in diesem Sommer. Und es ging gleich ziemlich weit weg! In einer nicht benannten Kleinstadt in Saudi-Arabien kandidiert Maryam bei den anstehenden Wahlen zum Gemeinderat. Das geht aber nicht nur im Film! Seit 2015 ist es auch den Frauen in dem islamisch-konservativen Königreich gestattet zu wählen und jedenfalls bei lokalen Wahlen auch selbst anzutreten. Schon die Umstände, unter denen sie auf die Wahlliste kommt, zeigen, wie blitzschnell Maryam auf unvorhergesehene Schwierigkeiten pragmatisch reagieren kann. Ihr anfangs etwas störrisches Wahlkampfteam rauft sich zusammen und stellt schließlich eine erfolgversprechende Kampagne auf die Beine. Die Skepsis von Maryams etwa gleichaltriger Schwester Selma (Dae Al Hilali) verfliegt recht schnell. Sie ist Fotografin, wird regelmäßig für große Familienfeiern gebucht und weiß, wie Events zu organisieren sind. Bei der jüngeren Schwester Sara (Nourah Al Awad) dauert es ein bißchen länger, bis der Funke überspringt. Sie ist gerade im Teenageralter und ihre Antworten kommen meistens etwas mürrisch daher. Aber dann ist sie mit Begeisterung dabei und kümmert sich um die sozialen Medien. Ein zentrales Wahlversprechen von Maryam ist, dafür zu sorgen, daß die Zufahrtsstraße zum Krankenhaus endlich asphaltiert wird. Sie ist Ärztin in der Klinik und ärgert sich jeden Tag aufs Neue über die holprige Piste, über die sie ihr Auto auf dem Weg zur Arbeit steuert und auf der Hilfe suchende Patienten regelmäßig im Schlamm steckenbleiben. Die perfekte Kandidatin entwickelt schnell ein Gespür, wie sie die Menschen für sich und ihre Sache gewinnen kann. Und das entgeht auch nicht der männlichen Konkurrenz! Mir wäre ohne die Hörfilmbeschreibung über die Greta App allerdings eine Menge entgangen. Und zwar so viel, daß ich mich auf einige Details beschränken muß! Erst viel später hätte sich mir erschlossen, daß Maryam selbst zur Arbeit in die Klinik fährt und dort ihren Schleier gegen den Arztkittel tauscht. Das Haus, in dem sie mit ihren Schwestern und dem Vater lebt, liegt hinter einem großen Tor. Das schützt den Hof und den Hauseingang vor neugierigen und verbotenen Blicken. Zu Hause schlüpft sie in hautenge Jeans und knappe Tops und bereitet mit ihren Schwestern das Abendessen vor. Beim Essen mit dem Vater sitzen sie auf dem Boden und die Speisen sind auf einer Decke ebenfalls auf dem Boden drapiert. Immer wieder bekomme ich zu hören, daß Maryam den Schleier lässig über den Schultern trägt, aber jederzeit bereit, sich diesen schnell wieder korrekt über den Kopf zu ziehen. Maryams Vater ist Musiker und unterrichtet auf einem lautenähnlichen Instrument, der Oud. Er ist viel mit seiner Band auf Reisen. Von den Fahrten und vor allem den Auftritten konnte ich mir immer sehr genau ein Bild machen. Und die deutsche Übersetzung der arabischen Liedertexte wurde vorgelesen. Zusammengefaßt konnte ich dank der schön formulierten Audiodeskription mit Haut und Haar in die mir doch sehr fremde Welt eintauchen! Und hier das Hörfilmbeschreiber-Team: Text Matthias Huber und Renate Lehmann, Redaktion Beatrix Hermens. Sie ist auch die perfekte Sprecherin! Meine Stimme für Maryam, die perfekte Kandidatin, hat natürlich rein symbolischen Charakter. Ob sie sich gegen den langjährigen Amtsinhaber, ihren scheinbar übermächtigen männlichen Konkurrenten, durchsetzen kann, erfahrt ihr im Kinosaal!

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Benni, die Systemsprengerin, auf einer Schaukel. Sie hält eine Stoffpuppe im Arm und lacht fröhlich. Die Schaukel ist in Bewegung, der Hintergrund verwischt.

Tolle Nachricht für “Systemsprenger” bei der Greta App!

Auch Filme haben eine Seele, da bin ich mir ganz sicher! Und die von „Systemsprenger“ muß einen mächtigen Knacks bekommen haben, angesichts der nach allen Regeln der Kunst schlecht gemachten Audiodeskription! Die bekam ich letzten September zu hören und meine Ohren und Nerven wurden aufs Äußerste überstrapaziert! So etwas hat kein Film verdient und schon gar nicht der mehrfach beim Deutschen Filmpreis ausgezeichnete „Systemsprenger“! Aber die Greta App, die die Hörfilmfassungen in die Kinosäle bringt, kann ja nur zur Verfügung stellen, was ihr geliefert wird. Die erste gute Nachricht war, daß Netflix eine neue Audiodeskription produzieren ließ. Seit Ende März ist der Film bei dem Streamingdienst im Angebot. Diese Hörfilmfassung war Balsam für meine Ohren: Gesprochen von Sven Brieger, einem ausgebildeten Sprecher, und getextet von Tanja Eichler und Jonas Hauer, einem sehr erfahrenen und gut eingespielten Hörfilmbeschreiber-Team! Aber die aktuell tolle Nachricht für „Systemsprenger“ ist, daß genau diese Hörfilmfassung pünktlich zur bundesweiten Wiedereröffnung der Kinos jetzt auch bei der Greta App bereitgestellt ist und dafür die katastrophale Version gelöscht wurde! Mit diesem Ziel nahm ich für meinen Blogbeitrag die beiden Hörfilmfassungen detailliert und kritisch unter die Lupe: https://www.blindgaengerin.com/doppelt-gehoert/ Dieser Artikel kostete mich viel Mühe und Zeit, aber es hat sich gelohnt, das Ziel ist erreicht! Möglich war das nur dank der großartigen Unterstützung folgender Beteiligter: Der Verleih Port au Prince hatte wie der Produzent des Films, Weydemann Bros., ein sehr großes Interesse am Tausch der AD-Fassungen bei der Greta App. Beide erklärten sich damit sofort einverstanden. VSI Berlin hatte die so gelungene Audiodeskription im Auftrag von Netflix produziert und half bei der Kontaktvermittlung. Und ganz wichtig, als Netflix grünes Licht gab, ließ VSI der Greta App sofort die Audiodatei zukommen, die dort unverzüglich gegen die katastrophale ausgetauscht wurde. Alle an der Aktion Beteiligten taten dies übrigens unentgeltlich! Und bei Netflix möchte ich mich dafür noch einmal ganz besonders bedanken! Jetzt ist der Seelenfrieden von „Systemsprenger“ wiederhergestellt und ich kann nun auch allen, die Audiodeskriptionen nutzen, diesen herausragenden Film, ob im Kino oder bei Netflix, ans Herz legen! Die Systemsprengerin Benni, schon fast erschreckend authentisch gespielt von Helena Zengel, scheint sich über dieses Ergebnis auch zu freuen, so glücklich, wie sie auf dem Bild strahlt. Siehste Benni, wir werden das Kind schon schaukeln!

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Die Blindgängerin sitzt auf einem rot gestreiften Sofa. Sie trägt Kopfhörer und hält ein Weinglas in der Hand. Auf dem Schoß ein aufgeklappter Laptop. Vor ihr auf dem Tisch stehen zwei Lautsprecherboxen, dazwischen liegt ein Smartphone mit der geöffneten Greta-App.

Doppelt gehört

Zur Zeit bin ich notgedrungen eher eine Blindsitzerin! Tue ich das abends gemütlich auf dem Sofa vorm Fernseher, werde ich meistens in dem ganz schön bunten Programm der öffentlich-rechtlichen fündig. Also ohne zu streamen, ganz klassisch linear bis jetzt. Viel lieber würde ich mich wieder als Blindgängerin ins Kino bewegen, wo ich Filme am liebsten genieße, aber jammern is nich! Also blicke ich auch aus aktuellem Anlaß zurück auf mein zwiespältigstes Kinoerlebnis im letzten Jahr mit „Systemsprenger“! Der Film von Nora Fingscheidt steht auf meiner persönlichen Liste „Bester Kinofilm 2019“ ganz vorne! Ich hatte mich so gefreut, die Hörfilmfassung über die Greta App genießen zu können. Aber, und jetzt kommt der Wermutstropfen, diese ist nach allen Regeln der Kunst schlecht gemacht! Das wollte ich nicht für mich behalten und stieß besonders beim Verleih auf offene und interessierte Ohren. Besonders irritierte mich damals der Sprecher der Audiodeskription. Für mich hörte sich das so an, als ob sich der Mann am Mikrophon nicht wohl in seiner Haut fühlte. Der Text wurde monoton vorgetragen und die Stimme klang angespannt und manchmal hektisch. Das Sprechtempo war, auch wenn es nicht nötig war, viel zu schnell. Und ich konnte mehrmals unkontrollierte Atmer hören. Das spricht nicht gerade für einen professionellen Sprecher, der seine Stimme kontrolliert einsetzt. Aber der beim Deutschen Filmpreis zehnfach nominierte „Systemsprenger“ hat Glück! Seit Ende März ist der Film bei Netflix mit einer eigens produzierten Audiodeskription im Angebot. Ein triftiger Grund, mich zu vernetflixen! Schon nach den ersten Sätzen ist klar, hier war ein ausgebildeter Sprecher am Werk, der seine Stimme beherrscht wie ein Profimusiker sein Instrument, und damit gekonnt spielt. Mit Vergnügen habe ich der angenehm warmen und ruhigen Stimme zugehört. Dynamik und Dramatik sind fein dosiert und der Text wird in ruhigem und angemessenem Tempo vorgetragen. Muß es einmal schneller gehen, klingt die Stimme nie gehetzt oder aufgeregt. Im Gegensatz zur Kinofassung empfand ich den Sprecher nicht als Fremden, sondern als meinen Begleiter! Genauso wichtig wie das „wie“ ist das „was“ ich zu hören bekam. Und auch da unterscheiden sich die beiden Fassungen himmelhoch! Um auch ohne vorliegende Skripte vergleichen zu können, führte ich mir die Kinofassung über die Greta App noch einmal zu Gemüte, also nur den Film streamen und die App starten. Das hat super funktioniert! Ich weiß, daß anders als bei der Kinofassung das Skript für Netflix von einem geschulten Hörfilmbeschreiber-Team geschrieben wurde. Hier sind nur einige Beispiele, wie sich das bemerkbar macht: Gleich zu Beginn wird in der Kino-AD ein Mann als „ein Erzieher“ eingeführt, dabei erschließt sich dies erst einige Minuten später. Bei der Netflix-AD wird beschrieben, was zu sehen ist, nämlich ein Graubärtiger, und so ist es richtig! Als Benni, die 9-jährige Systemsprengerin, an eine mehrspurige stark befahrene Straße rennt, wird in beiden ADs gesagt, sie versucht, mit erhobenem Daumen ein Auto anzuhalten. Der Sprecher der Kino-AD sagt: Kein Auto hält an, Benni wird immer wütender. Zu beschreiben, was nicht passiert, ist besonders hier überflüssig, zumal die vorbeirasenden Autos zu hören sind. Und „wird immer wütender“ ist keine Beschreibung, sondern eine Feststellung. Bennis Wut ist übrigens auch nicht zu überhören. Bei Netflix wird beschrieben, wie sich Bennis Wut äußert, zum Beispiel beschmeißt sie eines der vorbeifahrenden Autos mit einer Büchse. Die Aussage „Benni untersucht die Hütte“ läßt bei mir kein Bild entstehen. Bei Netflix wird beschrieben, was Benni tut: Sie nimmt ein Holzscheit und läßt es wieder fallen, hebt den Deckel eines Teekessels an und legt ihre Klappmatratze auf ein Bett. So entstehen Bilder und man bekommt einen ersten Eindruck, wie es in der Hütte aussieht. Bei der Netflix-AD wird in wohlformulierten Sätzen und in einer lebendigen Sprache detailliert vermittelt, wer was, wie, wo und wann tut. Bei der Kinofassung hört sich das mitunter an wie folgt: Chaos in Bennis Kopf Eindrücke rauschen am Seitenfenster vorbei Das Bild bewegt sich wie der Blick eines Hinterherlaufenden Frau Bafané, die Ärztin von vorhin kommt Die Frau sieht gut aus, eine mütterliche Frau, mütterlicher Typ Subjektive Wertung statt Beschreibung, geht gar nicht! Als Schlagworte mit bedeutungsschwangerer Stimme eingeworfen: Grauer trüber Himmel, Waschbecken, Dunkelheit, Klassenraum Statt die Mimik zu beschreiben: Michas ärgerlicher Gesichtsausdruck Und der Hinweis, daß Bennis Hose farblich nicht zu ihrem Shirt paßt, ist auch völlig daneben! Nur ein sehr wichtiges Detail ist mir in Erinnerung, das bei der Netflix-Fassung nicht genannt wird: Nämlich daß sich Benni das Messer dann auch an die Kehle hält. Zu guter Letzt habe ich mir beide Audiodeskriptionen gleichzeitig gegeben! Den Film mit der Netflix-AD hörte ich über die Boxen am Rechner und die Kino-AD zugeschaltet über die Greta App per Kopfhörer. Auch das hat super geklappt. Hilfreich wäre allerdings ein drittes Ohr gewesen. Aber die Mühe hat sich gelohnt, denn mein Verdacht hat sich bestätigt, daß die Kino-AD meistens nicht handlungssynchron war. Während der Sprecher der Kinofassung meistens schon längst mit seinem Text fertig war und eine gefühlt viel zu lange Pause entstand, bekam ich von dem anderen Sprecher über die Dialogpause verteilt passend zu den Geräuschen eine viel detailliertere Beschreibung. Das nennt man perfektes Timing! Dazu zum Schluß auch noch ein Beispiel: Benni bezieht wieder einmal ein Zimmer in einer weiteren Sozialeinrichtung und packt ihre Habseligkeiten, darunter ein Foto, in ein Regal. Die Zeit, das zu beschreiben, ist knapp. Bei Netflix wird die Zeit vor allem genutzt, um zu beschreiben, wer auf dem Familienfoto zu sehen ist. In der Kinofassung wird das Foto nur kurz erwähnt und gesagt, daß Benni Fotoalben auspackt. Als kurz danach der Schulbegleiter in Bennis Zimmer sagt „ganz schön viele Fotoalben“, antwortet Benni „ja, überall wo ich rausgeflogen bin, hab ich eins bekommen“. Jetzt heißt es bei der Netflix-Fassung „im Regal stehen zehn Fotoalben“. Hier war diese Info genau richtig plaziert. Bei der Kinofassung herrschte in diesem Moment Schweigen. Jetzt brauche ich eine Pause, schwinge mich auf mein Spinning-Rad und hole mir meine tägliche Dosis Bewegung ab. Ich verabschiede mich mit dem hoffnungsvollen Zitat der Facebook-Seite „Das Kino“: „Nach dem Kino ist vor dem Kino. Läuft bei uns bald wieder!“

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Links das Filmplakat von „Für Sama“. Es zeigt Waad al-Kateab mit ihrer Tochter Sama als Baby vor Ruinen. Rechts die Filmemacherin Waad neben der Blindgängerin im Foyer des Delphi Filmpalastes.

Für Sama

Kinoblindgängers Marie ist es eine große Ehre, den Dokumentarfilm „Für Sama“ jetzt auch zum langersehnten regulären Kinostart am 05. März über die Greta App barrierefrei erlebbar zu machen!Schon beim Human Rights Filmfestival in Berlin im vorigen Jahr war Marie für den berührenden und aufrüttelnden Film im Einsatz. „Für Sama“ eröffnete das Festival. Noch einmal kurz zur Erinnerung: Die Kinoblindgänger gGmbH produziert mit Spenden- und Sponsorengeldern barrierefreie Fassungen und nennt diese liebevoll „Marie“!Dank der Initiative der Leitung des Human Rights Filmfestivals und der finanziellen Unterstützung der Aktion Mensch konnten wir für „Für Sama“ eine Audiodeskription und erweiterte Untertitel erstellen!Ohne Marie wäre dem nichtsehenden und nichthörenden Publikum der Zugang verwehrt geblieben, wie viel zu oft bei solch internationalen Filmen über politisch hochbrisante Themen. Und wie kam es zu dem Film?Im April 2012 filmte die Studentin Waad al-Kateab mit ihrem Handy, wie brutal das Assad-Regime auf Studentenproteste in Aleppo reagierte. Damals ahnte sie bestimmt noch nicht, daß während der nächsten fünf Jahre über 500 Stunden Filmmaterial dazu kommen und wie dramatisch und lebensbedrohlich sich die Lage in Aleppo entwickeln würde. Im Dezember 2016 mußte sie schweren Herzens mit ihrem Mann Hamza und der gemeinsamen knapp einjährigen Tochter Sama das weitgehend zerstörte Aleppo verlassen.In London machte sie dann mit dem Regisseur Edward Watts aus ihrem geretteten Filmmaterial diesen einzigartigen 95-minütigen Dokumentarfilm!Und bei der Wahl der Filmmusik bewies Nainita Desai sehr viel Fingerspitzengefühl. In einer Hauruck-Aktion haben wir auch den Filmtrailer noch mit einer Audiodeskription versehen. Dank an alle Beteiligten für den schnellen Einsatz! Hier kann der Trailer gesehen und gehört werden: Eine große Ehre war es auch allen Mitwirkenden, an der barrierefreien Fassung gerade für diesen Film arbeiten zu dürfen! Dem Hörfilmbeschreiber-Team, Ralf Krämer, Lena Hoffmann, Jürgen Schulz und mir, wurde beim immer wieder genauen Betrachten der erschütternden Bilder viel abverlangt.Wir versuchten, die richtigen Worte zu finden, in den meist sehr kurzen Pausen die Panik, das Durcheinander und die Verzweiflung zu beschreiben, die den Menschen nach den vielen Explosionen ins Gesicht geschrieben steht.Das gilt auch für die Atempausen zwischen den Luftangriffen: Männer spielen Schach auf der Straße, Kinder bemalen einen ausgebrannten Schulbus, machen eine Schneeballschlacht oder schwimmen zwischen den Haustrümmern in Bombenkratern, die mit Wasser aus geborstenen Leitungen gefüllt sind. Ein ganz besonderer Lichtblick ist es, die kleine Sama zu beobachten. Einmal versucht sie, sich ihr Füßchen in den Mund zu stecken. Scheinbar unbeeindruckt von dem Krach um sie herum trinkt sie aus ihrem Fläschchen oder schläft eingekuschelt in ihre Decke.Eine wichtige Rolle spielen Farben, wie z.B. grün, weiß, schwarz und rot, die Farben der Revolutionsflagge, die immer wieder als Farbtupfen auftauchen, genauso wie Samas rosa Strampler. Schwarz ist auch der Qualm nach den Bombardements. Graue Staubwolken steigen auf und überall ist es rot vom Blut.Samas Vater Hamza ist Arzt. Er versorgt und operiert unter schwierigsten Umständen die vielen Verwundeten nach den Luftangriffen, von denen auch das Krankenhaus nicht verschont bleibt. Auch hier ist Waad immer mit ihrer Kamera dabei. Am trügerisch schönen stahlblauen Himmel schwebt bei strahlendem Sonnenschein scheinbar friedlich ein Hubschrauber, bevor er nach einem kurzen Aufblitzen seine todbringende Fracht verliert. Und so oft wie möglich verharrt die Kamera auf wunderschön blühenden Sträuchern oder grün belaubten Bäumen. Die in Worte gefaßte Flut dieser widersprüchlichen Bilder plazierte Andreas Sparberg, der Sprecher der Audiodeskription, exakt in die oft sehr engen Pausen zwischen den teils erschreckend lauten Geräuschen und dem Voice Over. Eine weitere große Herausforderung waren die für das sogenannte Voice Over benötigten deutschen Untertitel und Übersetzungen, da der Film bei der Erstellung der Audiodeskription nur in Originalsprache mit englischen Untertiteln vorlag. Um keine Sinnverfälschungen zu generieren, wurde der Film für die Audiodeskription aus der Originalsprache von einer Muttersprachlerin ins Deutsche übersetzt.Diesen Part wie auch die Produktion der erweiterten Untertitel übernahm subs Hamburg.Die organisatorische Gesamtleitung, Aufnahme, Bearbeitung und Tonmischung lag bei 48hearts productions. Sprecher und Sprecherinnen des Voice Over waren:Waad al-Kateab: Nadja Schulz-BerlinghoffHamza: Pascal CürsgenAndere weibliche Stimmen und Kinderstimmen: Susanne HaufAndere männliche Stimmen: Nico Birnbaum Und abschließend war es mir die größte Ehre, mit Waad Al-Kateab vor der komplett ausverkauften Premierenvorstellung im Delphi Filmpalast sprechen zu dürfen.Preise hat sie für ihren Film schon viele bekommen, jetzt wünsche ich ihr viele Zuschauer und Zuschauerinnen, ob mit oder ohne Kinoblindgängers Marie!

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Die Blindgängerin verkleidet als Don Quijote auf einer Wiese. Sie trägt einen Hut aus Alufolie mit einem Blütenkranz und hat einen grauen Bart. Ihren weißen Langstock hält sie empor, im Hintergrund eine Windmühle auf einem Grashügel.

Don Quijote, einmal mit, einmal ohne!

Zuerst einmal ohne! Mucksmäuschenstill ist es plötzlich im großen Saal des Deutschen Theaters. „Sie schauten um sich, sahen das Meer, das sie noch nie erblickt hatten, fanden es weit und endlos, so viel größer als die Seen von Ruidera, die sie aus der Mancha kannten…“ Der von einer männlichen Stimme vorgetragene Monolog endet wie folgt: „… und sie konnten sich nicht erklären, weshalb so viele Füße aus diesen Kolossen wuchsen, die sich da auf dem Meer wiegten.“ Und ich konnte mir nicht erklären, weshalb jetzt das Gekicher im Publikum anwuchs! Nach einer gefühlten Ewigkeit meint eine zweite männliche Stimme: „Hm.“ Und eine dritte: „Also ich rieche nichts.“ Und ich verstand gar nichts! Also bitte noch mal von vorne und jetzt einmal mit einer Live-Audiodeskription, in deren Genuß nur die blinden und sehbehinderten Theatergäste über Kopfhörer kommen! Sehr geehrtes Publikum,herzlich willkommen im Deutschen Theater Berlin zu „Don Quijote“! Mein Name ist Charlotte Miggel. Vom Platz der Video-Regie über dem zweiten Rang aus werde ich Sie heute durch die Vorstellung begleiten. Die Autorinnen der Audiodeskription sind Charlotte Miggel und Barbara Fickert, die Endredaktion lag bei Anke Nicolai. Die Hörtheaterfassung wurde realisiert von Förderband e.V. im Rahmen des Projekts „Berliner Spielplan Audiodeskription“. Der weinrote Vorhang hebt sich.Längs zum Publikum, leicht schräg, steht der geschlossene Holzcontainer in fahlem kaltem Licht. Feine Nebelwolken steigen aus der Dachluke empor. Jetzt ist der Monolog zu hören und von Charlottes Stimme über Kopfhörer zwischendurch: Der Nebelschleier schwillt an und legt sich über die Bühne. Dichte Dunst-Schwaden breiten sich aus.Links aus dem Container tritt Don Quijote und schreitet aus der Dunkelheit vor ins wärmer werdende Licht. Er hält inne und sieht zum Publikum. Rechts aus dem Container zwängt sich Sancho Panza. Quijote verschwindet links wieder darin. Panza nestelt am Ledergurt des Containers. Der ist nun hell und warm erleuchtet. Auch Panza tritt wieder hinein. Don Quijote stellt sich an die linke Ecke des Containers. Sein Knappe folgt ihm durch die linke Tür und positioniert sich neben ihm. Don Quijote schnuppert. „Hm.“ Sancho Panza fächelt sich Luft zu. „Also ich rieche nichts.“ Don Quijote, gespielt von Ulrich Matthes, und Sancho Panza (Wolfram Koch) bestreiten, und das im wahrsten Sinn des Wortes, das Stück bis zum Schluß allein.Sie riechen, hören, und sehen niemals dasselbe, weil die Gerüche, Geräusche und Bilder nur in Quijotes Fantasie vorkommen. Der behauptet zum Beispiel, 30 grimmige Riesen zu sehen mit Armen, die zwei Meilen messen, und gegen die er in die Schlacht ziehen muß.Sancho Panzas Einwände, die Riesen seien Windmühlen und die Arme deren Flügel, prallen an Quijote ab.Während Sancho Panza vom Dach des Containers dramatisch schildert, wie Quijote auf seinem Roß gegen die Windmühle galoppiert, tut sich auf der Bühne folgendes: Quijote fährt die Teleskopstange aus und schwingt sie über den Köpfen der Zuschauer. Dann pendelt er die Stange über den ersten Parkettreihen hin und her. Auf dem Container: Eine verschwommene Schattenprojektion rotierender Windmühlen-Flügel. Quijote sinkt zu Boden. Panza klettert vom Dach und eilt zu ihm. Da liegt er nun geschlagen, der Ritter von der traurigen Gestalt. Aber wie sieht er eigentlich aus?Anders als im Hörfilm gibt es bei Theaterstücken vorweg eine Einführung ebenfalls über Kopfhörer. Es werden unter anderem die Figuren und deren Kostüme und das Bühnenbild nebst Utensilien genau beschrieben. Quijote hat einen grauen Schnauz- und Ziegenbart und trägt ein Basecap, das von einem Hut aus Aluminium verdeckt wird. Dieser ist entlang der Krempe mit einem bunten Blumenkranz geschmückt. Sein langes weißes Gewand fällt ihm bis zu den Knien. Der rechte Ärmel steckt in einem dunkelgoldenen metallenen Schuppenhandschuh. Über dem weißen Gewand trägt er ein ärmelloses Kettenhemd mit V-Ausschnitt. Unter dem Rock kommt hin und wieder eine graue Jogginghose mit zwei weißen Längsstreifen an den Beinen zum Vorschein. Seine Füße stecken in hohen spitzen Stiefeln in Schlangenleder-Look. So hätte ich mir Quijote jedenfalls nicht vorgestellt.Und nicht nur das, die gemeinsame Arbeit mit Charlotte an ihrem wohlformulierten Skript hat mir die Augen darüber geöffnet, wieviel ich beim ersten Theaterbesuch „ohne“ falsch oder gar nicht verstanden habe!Sogar der große Container war mir entgangen, in dem die beiden verschwinden, wieder auftauchen, und den sie auch umherziehen.Charlotte hatte ein kleines Holzkästchen mitgebracht. Um zu testen, ob ich die von ihr beschriebenen Bewegungen der Figuren richtig verstanden hatte, spielte ich mit zwei Teelichtern die Bühnensituation nach. Meistens lag ich richtig! Und jetzt noch einmal auf die große Bühne.Sie sind nie einer Meinung und es ist eine Wonne, Don Quijote und Sancho Panza beim Philosophieren mit viel Wortwitz zu lauschen!In den wenigen Pausen, die sie lassen, ist Charlotte mit ihrer ruhigen Stimme immer mit den entsprechenden Beschreibungen zur Stelle. Und wenn ihr die beiden einmal zuvorkommen oder eine Geste unterschlagen, bringt sie das kein bißchen aus der Fassung.Sie hat ihre Premiere, eine Live-Audiodeskription zu sprechen, mit Bravour bestanden!Jetzt lasse ich aber schweren Herzens den weinroten Vorhang fallen.Ich hoffe, ich konnte Lust auf den „Don Quijote“ mit Live-Audiodeskription machen und freue mich auf viele Theaterstücke, aber bitte immer einmal mit!

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